4.1 Die Landwirtschaft im Entwicklungsprozeß Pakistans
Die Rolle der Landwirtschaft und die Änderung dieses
Sektors im bisherigen Entwicklungsprozeß lassen sich
stichwortartig wie folgt zusammenfassen:
- Während der Zeit stagnierender Landwirtschaft trug
diese wenig zum Entwicklungsprozeß bei. Die feudalen
Strukturverhältnisse bewirkten keine Anreize zur Änderung
der Gegebenheiten. Die Landbewirtschafter waren abhängig
vom Landlord.
- Der Technologiewandel in der Landwirtschaft durch die
„Grüne Revolution" brachte die Agrarproduktion
auf ein höheres Niveau und initiierte eine gewerbliche,
weniger eine industrielle Entwicklung. Dadieser Anstieg
in der Agrarproduktion vor einer nennens werten Agrarreform
erfolgte, verhärteten sich die ländlichen Sozialstrukturen
und verstärkten sich die Ungleichheiten.
- Die gewerbliche Entwicklung war ausreichend, die durch
die Mechanisierung und Pächterentlassung freigewordenen
Arbeitskräfteaufzufangen. Diezunehmende Ablehnung der
sozialen Bindüngen auf dem Dorf bewirkte jedoch zusätzlich
eine starke Abwanderung vom Lande in die Stadt, also eine
Urbanisierung.
- Dieser Prozeß setzte sich fort, als in den Ölländern
Arbeitsplätze angeboten wurden. Besonders Angehörige
der Unterschicht nahmen diese Chance wahr. Ihre Geldrücksendungen
führten zu Um wälzungen in der dörflichen
Sozialstruktur: Landlose Familien wurden von den ärmsten
Familien zu denen mit der höchsten Kaufkraft. Dieses
Beispiel veranlaßte viele Söhne von Landwirten,
ebenfalls nichtlandwirtschaftlichem Erwerb nachzugehen.
Es kam zu verbreiteter Mehrfachbeschäftigung. Die Jugend
erkannte, daß die sehr kleinen landwirtschaftlichen
Betriebe bei den gegebenen Rahmenbedingungen nicht den Anforderungen
der neuen Agrartechnologie gewachsen waren.
- Die Einstellung der jungen Generation zur Landwirtschaft
änderte sich: Hauptinteresse ist ein angemessenes Einkommen,
nicht mehr die Fortsetzung der Landbewirtschaftung. Viele
Kleinstbetriebe werden im Generationswechsel verpachtet.
Auf den Haus und Hofgrundstücken werden kleine Handels-
oder Produktionsstätten errichtet, da ja eine erheblich
gestiegene lokale Kaufkraft zu befriedigen ist.
- Während die Kleiniandwirtschaft aufgegeben wird
oder durch Mehrfachbeschäftigung Mischexistenzen entstehen,
konzentriert sich die bewirtschaftete Flächezunehmend
bei kommerziellen, intensiv bewirtschafteten Betrieben.
Die Steigerung der Agrarproduktion ohne vorherige Agrarreform
bewirkte also inner halb der Landwirtschaft eine Differenzierung
in zwei Bereiche.
- Die moderne Landwirtschaft ist durch zugekaufte Betriebsmittel
sowie Vermarktung bzw. Verarbeitung ihrer Produkte voll
in die Gesamtwirtschaft integriert. Damit ist sie abhängig
von Preisen, Märkten sowie der staatlichen Politik
geworden.
- Landwirtschaftliche Entwicklung vor einer Agrarreform
hat bewirkt, daß ein zunehmend größer werdender
Teil der Agrarbevölkerung marginalisiert wird und zur
Besserung seiner Lebensverhältnisse aus der Landwirtschaft
herausdrängt. Daß diese landwirtschaftliche Entwicklung
vor einer Industrialisierung stattgefunden hat, muß
zu sozialen, besonders Beschäftigungsproblemen, führen,
die zur Zeit durch Gastarbeiterwesen und Kaufkraftzuwachs
von außen verdeckt werden. Sollte dieser Ausweg einmal
nicht mehr existieren, dürften große Probleme
auf Pakistan zukommen.
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