2.4 Förderungsinstitutionen
Einsatz der Arbeitskraft zur Bewirtschaftung des Bodens,
teilweise unter Nutzung gegenseitiger Hilfe von mehreren Familien,
war in der traditionellen Landwirtschaft die übliche
Form der Existenzsicherung. Sie reicht nicht mehr aus, wenn
eine schnelle Steigerung der Nahrungsproduktion für eine
zunehmend nichtlandwirtschaftliche Bevölkerung erreicht
werden soll. Dazu sind eine Reihe von Dienstleistungen
und Förderungsinstitutionen notwendig,
die nicht von der Landwirtschaft selbst erstellt werden können,
sondern von der Gesamtgesellschaft bereitgestellt werden müssen.
Die agrarsoziologische Entwicklungsländerforschung hat
sich den Einrichtungen zur Bereitstellung von Krediten
und der Organisation des Absatzes angenommen,
bei denen man lange die wesentlichen Engpässe für
eine Agrarentwicklung gesehen hat. Im Laufe der Zeit ist hier
allerdings wohl eine Ernüchterung eingetreten. Es hat
sich gezeigt, daß die bestehenden Absatzwege unter den
herrschenden Verhältnissen oft gar nicht so schlecht
sind und auch Ausbeutung der Produzenten durch den Handel
nicht der Regelfall ist. Viel eher kommt es zu Störungen
des Vermarktungsprozesses durch Eingriffe des Staates in das
bestehende System. Auch die Rolle des Agrarkredites wird heute
wohl etwas differenzierter gesehen als zu Frühzeiten
der Entwicklungspolitik. Bei wirklich sicheren und lohnenden
Innovationen vermögen auch Kleinbetriebe erstaunlich
oft sich selbst die nötigen Finanzierungsmittel zu beschaffen,
während staatliche Kreditprogramme leicht zur Verschuldung
führen. Auch die Frage des Zinssatzes erscheint in anderem
Licht, wenn man die Beschaffungskosten für formale Kredite
mit in die Betrachtung einbezieht. Sicher würden eingehende
Untersuchungen über informelle Kredite erklären,
warum der Geldverleiher so schwer auszumerzen ist, vielleicht
auch ein Pauschalurteil revidieren helfen.
Je mehr Innovationen in der Landwirtschaft getätigt
und je mehr Fremdmittel eingesetzt werden, desto größer
wird das Risiko gerade für die Kleinbetriebe. Wenig ist
bekannt über Bedarf und geeignete Organisationsformen
von Versicherungen in der Landwirtschaft
der Entwicklungsländer (Viehversicherung, Hagelversicherung
etc.). Von einem bestimmten Entwicklungsstadium ab, welches
von Schwellenländern schon erreicht ist, erhält
auch eine Versicherung gegen die Wechselfälle des Lebens
der Landbevölkerung wie Krankheit, Unfall, Alter eine
Bedeutung. Hier liegt ein großes Feld für zukünftige
agrarsoziologische Forschungen.
Ein wichtiges, aber sehr vernachlässigtes Gebiet ist
die lokale Administration, also die Fragen
der Verwaltung und Selbstverwaltung auf Gemeinde- und Kreisebene
einschließlich der möglichen Formen und Erfordernisse
der Partizipation der Bevölkerung. Hierzu wären
auch die bei fortschreitender Entwicklung immer wichtiger
werdenden Zweckorganisationen und Verbände zu rechnen,
die zu einem Pluralismus der Gesellschaft führen. Wichtige
Teilfragen sind dabei die Art der Kommunikation,die wünschenswerten
Entscheidungskompetenzen der verschiedenen Ebenen und die
Finanzierung als Basis einer gewissen Unabhängigkeit.
Auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Beratung
hat sich die Forschung stärker mit den Methoden und Übernahmeprozessen
befaßt, weniger mit den Fragen adäquater Beratungsinhalte.
Diese wurden mehr von der Seite der Technologie her beeinflußt
als vom tatsächlichen Bedarf der landwirtschaftlichen
Betriebe. Ein wenig bearbeitetes Problem ist auch die Frage,
wie die immer notwendiger werdende betriebswirtschaftliche
Beratung unter den Gegebenheiten der Entwicklungsländer
organisiert werden kann. Zu wenig Bedeutung wurde wohl auch
den unterschiedlichen Situationen beigemessen, in denen Beratung
arbeitet. Gleiches gilt auch für andere Dienste. Pauschallösungen
müssen zu Fehlschlägen führen, denn die Brauchbarkeit
aller Methoden ist abhängig von den jeweils bestehenden
Bedingungen. So erleben wir zur Zeit, daß das Training-and-Visit-Verfahren
- entwickelt, um in Bewässerungsprojekten durch straffe
Organisation der Beratung mit Konzentration auf eine oder
wenige hochwertige Verkaufsfrüchte unter Verwendung von
ausgewählten Bauern schnell zur Ertragssteigerung zu
kommen, - auf ganz andere gesellschaftliche und wirtschaftliche
Verhältnisse übertragen wird. Dabei haben wir schon
lange Beispiele dafür, daß Informationsmittler
bei bestimmten sozialen Gegebenheiten schnell zu Informationsfiltern
werden.
Es ist allerdings zuzugeben, daß die Agrarsoziologie
bisher für einen generellen Einsatz durch soziologisch
wenig geschulte Kräfte geeignete Analyse-Verfahren für
die verschiedenen Situationen nicht bereitgestellt hat. Der
Analyse des Geltungsbereiches von unter bestimmten Bedingungen
entstandenen Erkenntnissen und Verfahren muß in Zukunft
mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Die hier genannten und sonstigen Dienste (soziale und edukative)
müssen auf lokaler und regionaler Ebene eng zusammenarbeiten.
Es ist eine, auch hierarchisch geschichtete, Service-Struktur
zu schaffen. Dabei stehen geeignete Beurteilungsrahmen für
die zweckmäßige Größe der Einzugsgebiete
unter den verschiedenen Rahmenbedingungen noch aus. Das gleiche
gilt für Verfahren der Kooperation und Koordination der
verschiedenen staatlichen und nichtstaatlichen Dienste und
Organisationen.
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