4. Aufkommende Alternativen: Mischexistenzen
All diese Veränderungen führten im Laufe der Zeit
zu einem Wandel der Einstellung, besonders bei der jüngeren
Generation, War es für den Vater noch als selbstverständlich
vorgegeben, daß er die elterliche Landwirtschaft übernahm,
so ist dies bei den Söhnen nicht mehr der Fall. Ihr Streben
ist auf »access to income« gerichtet, nicht unbedingt
auf »access to land«. Wenn die Landfläche
ausreichend groß ist und über Bewässerung
verfügt, so daß man moderne Landbewirtschaftung
betreiben kann, dann besteht durchaus die Bereitschaft zur
Landbewirtschaftung. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist,
dann liegt das Lebensziel außerhalb der Landwirtschaft.
Oft entstehen Mischexistenzen: Der Betriebsleiter nimmt selbst
eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit auf oder arbeitet
als Landarbeiter bei größeren Betrieben. Viel öfter
setzt der Vater die Landbewirtschaftung fort, während
Söhne und Töchter außerhalb der Landwirtschaft
tätig werden. Da sie nicht am Ort gebunden sind, stehen
ihnen größere Möglichkeiten offen. Nicht selten
ist auch eine Spaltung der Tätigkeit. Solange der Vater
kräftig genug für die Landbewirtschaftung ist, arbeitet
der Sohn in der Stadt, Wenn der Vater die Arbeit nicht mehr
schafft, muß der Sohn den Betrieb übernehmen. Oft
hat er dann schon Kinder im erwerbsfähigen Alter, so
daß ständig Mehrfachbeschäftigung vorliegt.
Diese Mehrfachbeschäftigung bringt zusätzliches
Einkommen, sichert aber auch gegen Verlust des Arbeitsplatzes
ab. Anfangs ist Mehrfachbeschäftigung eine Notwendigkeit,
eine Folge der Armut. Für nicht wenige entsteht daraus
im Laufe der Zeit ein Weg zum sozialen Aufstieg, besonders
im Generationswechsel. Der Übergang vom Zuverdienst zum
landwirtschaftlichen Einkommen zu einer äußerlandwirtschaftlichen
Existenz mit Selbstversorgung ist gleitend. Bei Verlust des
Arbeitsplatzes kann die Landbewirtschaftung jederzeit wieder
intensiviert werden. Je sicherer und besser der außerlandwirtschaftliche
Arbeitsplatz ist, desto geringer wird das Interesse an der
Landbewirtschaftung und die Bereitschaft zu Arbeitsaufwand.
Natürlich gibt es auch Familien, deren Landfläche
ausreichend ist oder so vergrößert werden kann,
daß eine moderne Landbewirtschaftung möglich ist.
Viele junge Leute haben in den letzten Jahren den Übergang
von traditioneller Landbewirtschaftung zu modernen Formen
mit Ausnutzung der technologischen Möglichkeiten geschafft
und eine hohe Produktivität erreicht. An der Grenze gibt
es Haushalte, die ihre nichtlandwirtschaftlichen Einkommen
zu Investitionen in der Landwirtschaft genutzt und sich auf
die Stufe einer landwirtschaftlichen Vollexistenz emporgearbeitet
haben.
Für Landlose sind die Verhältnisse weniger günstig.
Zwar sind sie nicht an den kleinen landwirtschaftlichen Betrieb
gebunden, aber sie haben auch nicht das Grundeinkommen aus
der Landbewirtschaftung, welches eine Überbrückung
und Bestreitung der Migrationskosten möglich macht. Dies
bedeutet geringere Flexibilität und in Folge Verharren
in Armut.
Änderungen ergaben sich auch hinsichtlich der sozialen
Beziehungen. Die alte Gemeinsamkeit der Interessen aller an
der Landwirtschaft und die Sorge um zumindest die minimalen
Existenzbedürfnisse für alle durch die Gemeinschaft
ist weitgehend verschwunden und durch Kontraktbeziehungen
zwischen Landbewirtschaftern und ihren Landarbeitern und Handwerkern
ersetzt. Auch innerhalb der Familien gibt es Spannungen, besonders
zwischen den Generationen, über die Bedeutung der Landbewirtschaftung
und die ihr zukommende Aufmerksamkeit. Meist stimmen die Älteren
für eine Fortsetzung der Landbewirtschaftung, während
die jüngere Generation die Einkommenschancen abwägt
und bei günstigen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen
für ein Aufgeben oder zumindest eine Beschränkung
auf extensive Nutzung ist.
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