5. Konsequenzen der Erwerbskombination

Bei Anerkennung der Verschiedenartigkeit der Landwirtschaft in der Dritten Welt wird überwiegend doch mit Landwirtschaft die Vorstellung eines kleinen Familienbetriebes verbunden, bei dem die Familie die Arbeit verrichtet und von den Erträgen lebt. Bei Erwerbskombination wird aber weder alle Arbeit im Betrieb eingesetzt, noch hängt der Lebensstandard von den Erträgen des Betriebes ab. Anstelle von „landwirtschaftlichem Betrieb" sollte man besser von ländlichen Haushaltstypen sprechen, die aus verschiedenen Familienformen und verschiedenen wirtschaftlichen Aktivitäten resultieren. Dabei können die Einkommensquellen von Zelt zu Zeit, von Region zu Region und von Person zu Person schwanken und müssen auch nicht am gleichen Ort bestehen. Bisher wird meist der landwirtschaftliche Erwerb in das Zentrum der Betrachtung gestellt. Dieser mag aber nur von untergeordneter Bedeutung sein.

Unter diesen Umständen schwanken die Ziele der Landbewirtschafter stark. Anstelle des hofzentrierten Denkens" aller Haushaltsangehörigen geht es bei Haushalten mit Erwerbskombination um Sicherung einer zu schwachen Existenzgrundlage oder um Verbesserung des Gesamteinkommens auf welchem Wege dies auch immer möglich ist. Bei hohen außerlandwirtschaftlichen Einkommen mag das Interesse an der Landbewirtschaftung nachlassen, oder aber man nutzt diese Einkünfte zu Investitionen und zur Modernisierung des landwirtschaftlichen Betriebes. Wird die Landbewirtschaftung zum Hobby, dann gehen die Investitionen In der Landwirtschaft zurück oder orientieren sich zumindest nicht an wirtschaftlichen Kriterien.

Neben Sicherung und Steigerung der Einkommen mögen neue Ziele für die betroffenen Personen wichtig werden. Ein minimaler Arbeitsaufwand durch entsprechende Gestaltung des Anbaus oder Konzentration des Arbeitsaufwandes auf wenige Tage des Pflanzens und Erntens (für die man die Verwandtschaft mobilisieren kann) sind Beispiele. Für manche ist der Boden als Spekulationsobjekt wichtiger als laufende Erträge. Sentimentale Gründe und der Wunsch nach einem ruhigen Leben auf dem Lande mögen ein Festhalten an den Grundstücken bewirken. Schließlich ist Verfügung über Land bereits eine wichtige Sicherheit für den Fall des Verlustes der au3erlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit oder im Invaliditätsfall. Erwerbskombination ist dann Risikovermeidungsstrategie.

Andere Zielsetzungen und vielfältige Möglichkeiten bei Haushalten mit Erwerbskombination lassen starke Veränderungen erwarten. Diese Veränderungen können auch die Zukunft der Landwirtschaft in solchen Gebieten stark beeinflussen. Bei günstiger allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklung werden sich immer mehr Haushalte mit geringer Landfläche aus der Landwirtschaft herauslösen, und der Übergang zu einer ländlichen Lebensform nimmt zu. Je schlechter die wirtschaftliche Entwicklung ist, desto mehr Betonung wird man auf Selbstversorgung durch Landbewirtschaftung legen. Auf längere Sicht dürfte es zur Trennung zwischen Haushalten mit ländlichem Wohnsitz und marktintegrierten landwirtschaftlichen Betrieben kommen.

Wir müssen Abschied nehmen von der Vorstellung, daß jeder Kleinstbauernsohn glücklich ist, in der Landwirtschaft bleiben zu können. Vielmehr haben viele von ihnen die Erfahrung gemacht, daß man außerhalb der Landwirtschaft viel schneller zu höherem Lebensstandard kommt, falls es gelingt, einen Arbeitsplatz außerhalb des Betriebes zu finden. Oft erfordert dies längeres Suchen, ist aber vielfach nicht ohne Erfolg. Der Übergang erfolgt auch nicht ohne finanzielle Opfer, ohne Einschnitte in das Familienleben und ohne Mehrbelastung für Alte, Frauen und Kinder.

Sobald Haushalte nicht mehr nur dem Sektor Landwirtschaft angehören, sondern Mischformen darstellen ergeben sich neue Situationen für die Förderungsinstitutionen. Die Beratung muß sich dar
I auf einstellen, daß die Klienten nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung stehen daß diese auch aus der Stadt Informationen mitbringen, andere Ziele als reine Landwirte haben und daß an den Entscheidungen auch abwesende, aber mitfinanzierende Angehörige teilhaben. Eine Beurteilung von Kreditbedarf, Sicherheiten und Rückzahlungsfähigkeit sieht bei Haushalten mit Erwerbskombination völlig anders aus. Die Akzeptanz von agrarpolitischen Maßnahmen wird nicht nur von betrieblichen Überlegungen bestimmt, sondern von der Gesamtsituation des Haushalts. Die Stadt-Land Beziehungen erhalten eine neue Bedeutung durch enge Beziehungen zwischen Familienangehörigen mit unterschiedlichem Wohnsitz.

Dem Instrument der Zielgruppenanalyse kommt in Regionen verbreiteter Mehrfachbeschäftigung hohe Bedeutung zu. Was wollen die Menschen heute und was in 15 Jahren? Vielleicht ist Berufsausbildung die beste Förderung der Landwirtschaft, denn sie erleichtert die ohnehin stattfindende Abwanderung und gibt den in der Landwirtschaft Verbleibenden die Möglichkeit, durch Zupacht wirtschaftliche und moderne Betriebe aufzubauen. Damit bekommt die Regionalentwicklung eine neue Qualität, neue Inhalte, Schwerpunkte und Chancen. Land und Landwirtschaft sind nicht mehr dasselbe wie vor 25 Jahren.