2 Gestaltungskräfte der Agrarverfassung
Die Elemente Mensch, Boden und Mitmenschen (Gesellschaft)
in unterschiedlicher Zusammensetzung gestalten den natürlichen
Produktionsprozeß zum Zwecke agrarischer Produktion.
Aus der Vielfalt der gegebenen Bedingungen und bestehenden
Bedürfnisse haben sich historisch sehr unterschiedliche
Agrarverfassungen entwickelt. Wichtige Gestaltungskräfte
sind
- naturbedingte Merkmale wie Klima, Bodenverhältnisse,
Geländegestalt, wobei das Ausmaß der Naturbeherrschung
die Wirksamkeit
determiniert;
- gesellschaftliche Merkmale wie politische Überzeugungen
und Ideologien, Rechtsordnungen, Stadien wirtschaftlicher
Entwicklung,
technologische Entwicklung, Bevölkerungsänderungen,
Wirtschafts- und Sozialstruktur, Änderungen der Wertvorstellungen
und Erwartungen sowie äußere Einflüsse (Kolonialismus,
Neokolonialismus).
Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung sind die jeweiligen Agrarverfassungen
sicherlich zweckmäßig, aber Änderungen der
obengenannten Faktoren erfordern Anpassungen an sich wandelnde
Faktorenkombinationen und -relationen. Mit zunehmender Geschwindigkeit
des Wandels, besonders der wirtschaftlichen Verhältnisse
in neuerer Zeit, wird eine Änderung der Agrarverfassung
in immer kürzeren Abständen erforderlich.
Eine Reihe von Kräften wirkt auf Fortentwicklung der
Agrarverfassung hin, insbesondere gewandelte Wachstumsbedingungen,
technologische Neuerungen, Bevölkerungsentwicklung, Änderungen
wirtschaftlicher Gegebenheiten und politischer Herrschafts-
und Gestaltungswille. Diesen stehen jedoch Kräfte entgegen,
die auf Beharrung und Erhaltung des Überkommenen hinwirken.
Hierzu zählen insbesondere politische Machtverhältnisse,
genossenschaftliche Bindungen, Erbregelungen, wirtschaftliche
Eingriffe (Verschuldungsverbote, Grundstücksverkehrsregelungen
u. ä.) sowie ständische, religiöse und ethische
Interessen und Motive.
Wegen des Beharrungsvermögens von Institutionen erfolgen
notwendige Änderungen meist erst mit gewissen Verzögerungen,
und daher kommt es zu den vielen Fällen unzureichend
angepaßter Agrarverfassung. Umgekehrt ergibt sich aus
der ständigen Änderung der Bestimmungsfaktoren,
daß es keine ideale Agrarverfassung geben kann, sondern
nur eine unter den jeweiligen Verhältnissen und Bedingungen
zweckmäßige. Diese muß bei Wandlungen des
wirtschaftlichen, politischen, sozialen und natürlichen
Datenkranzes wieder geändert werden, um eine optimale
Zuordnung von Mensch, Boden und Mitmenschen zu erreichen.
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