5.5 Kollektive Landwirtschaft

Kollektive Landwirtschaft ist in verschiedenen Formen anzutreffen. In Osteuropa, aber auch Kuba und anderen kommunistischen Ländern, finden sich Produktionsgenossenschaften. Mexiko, Israel und andere Länder haben Kommunen auf politischer, religiöser oder ethischer Basis (-» HYDEN, Abschn. 6.4). Schließlich findet sich Landbewirtschaftung von Teilflächen in Kollektiveigentum bei Aufrechterhaltung von Familienwirtschaften (Tansania). Die wichtigste und zahlenmäßig bedeutendste Form der kollektiven Landwirtschaft in Entwicklungsländern ist die Volkskommune, die wesentlich größere Integrationsaufgaben als die anderen Formen hat.

Die chinesische Volkskommune ist eine gesellschaftliche Grundeinheit, in der sich die Bevölkerung zusammenschließt, und die in ihrem Bereich alle Aufgaben der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, der Dienstleistung, Erziehung, Kulturarbeit sowie die politischen Angelegenheiten regelt (9; 43). Sie erfaßt die Gesamtbevölkerung eines Gebietes von der Größe eines Landkreises und schließt alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche ein (also nicht nur die Landwirtschaft). Sie ist gleichzeitig Verwaltungseinheit. Die Arbeit ist organisiert und diszipliniert, die Grundbedürfnisse werden egalitär geregelt, und die Kollektivierung umfaßt nicht nur die Produktion, sondern auch Teile des Konsums und des persönlichen Lebens. Intern ist die Kommune in drei Ebenen strukturiert (Produktionsgruppe, Produktionsbrigade, Kommune). In der Leitung dominieren Staat und Partei.

Die wirtschaftliche Leitung spielt sich im Rahmen von staatlichen Plänen ab, die Spielraum für lokale Entscheidungen geben (—» HENLE, Abschn. 3.3; 3.4). Die Beziehung Staat — Kommune und Kommune — Brigade erfolgt durch Kontrakte. Der Lohn der Kollektivmitglieder setzt sich aus Grundbarlohn, Naturalien wie Grundnahrungsmittel, Bildung und Gesundheitsfürsorge, besonderen Prämien als Anreiz zur Produktivitätssteigerung sowie dem Ertrag aus der Privatlandwirtschaft zusammen. Letztere ist quantitativ begrenzt. Die Gesellschaft ist im Prinzip klassenlos, aber unterschiedliche Entlohnung, private Hofwirtschaft, Funktionärsapparat und Ausbildungsunterschiede führen wohl doch zu neuen Schichten. Einkommensunterschiede sind im wesentlichen verlagert von Unterschieden zwischen Personen und Familien auf solche zwischen Kommunen, und zwar aufgrund der Produktions- und Marktbedingungen, die aber für den einzelnen nicht so spürbar sind. Das System hat darüber hinaus in wesentlichem Maß eine Ablösung des alten Familiensystems bewirkt, der Frau gleiche Rechte und Pflichten gebracht und durch Kollektivierung der Erziehung die Chancen des einzelnen egalisiert. Die unbestreitbaren Erfolge bei der Kapitalbildung und bei der Organisation der Bevölkerung zum Wirtschaftsaufbau haben international eine starke Diskussion über die Volkskommune verursacht. Wie weit der gegebene kulturelle Hintergrund bestimmend ist, erscheint noch nicht voll geklärt.