2.a) Beschäftigttngsplanung im Rahmen der wirtschaftlichen
Entwicklung
Strategie und Politik der wirtschaftlichen Entwicklung sind
heute im allgemeinen in den Entwicklungsplänen für
die einzelnen Länder festgelegt. Diese Pläne geben
einen teilweise recht detaillierten Überblick über
die geplante Entwicklung in den verschiedenen Sektoren der
Wirtschaft. Vom Standpunkt der Beschäftigungsplanung
aus sind jedoch einige fast allen Entwicklungsplänen
gemeinsame Eigenarten festzustellen.
Die Hauptbetonung liegt gewöhnlich bei Größe
und Wachstum des Einkommens der Volkswirtschaften, während
den Verteilungsaspekten untergeordnete Bedeutung zukommt.
Wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen zum Teil diesen
Unterschied an Priorität, der auch erklärt, warum
der Beschäftigungspolitik meist wenig Beachtung geschenkt
wird. Entwicklungsplanung befaßt sich ihrer Natur nach
in erster Linie mit mittel- und langfristigen Projekten, die
für ein zunehmendes wirtschaftliches Wachstum notwendig
sind. Bei dieser Zielsetzung kann sie kaum den unmittelbaren
Nöten und Bedürfnissen der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten
gerecht werden.
Entwicklungspläne und die Entwicklungspolitik der Regierungen
bestimmen in erster Linie Umfang und Art der Investitionen
in der Wirtschaft. Sie betreffen daher besonders Budget- und
fiskalische Überlegungen. Den viel schwerer plan- und
kalkulierbaren Möglichkeiten zur Mobilisierung und Ausnutzung
von Arbeitskräften kommt meist weniger Gewicht zu.
Die Feststellung dieser Eigenarten der meisten Entwicklungspläne
soll keine Kritik darstellen. In Bezug auf die Beschäftigungspläne
ergeben sich jedoch einige wichtige Konsequenzen. Die meisten
Entwicklungspläne haben nur einen längerfristigen
Beschäftigungseffekt; man kann von ihnen keine kurzfristigen
Besserungen der Beschäftigungssituation erwarten. Deshalb
gewinnt der Gedanke einer Ergänzung der Entwicklungspläne
durch kurzfristige Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung
und Ausnutzung der brachliegenden Arbeitskräfte mehr
und mehr Raum. Derartige Maßnahmen können zu einer
besseren Einkomensverteilung beitragen und die sozialen Aspekte
der Entwicklung fördern. Es wird in steigendem Maße
erkannt, daß diesen Gesichtspunkten hohe Bedeutung zukommt.
Denn Entwicklungsprogramme ohne gewisse fundamentale soziale
Voraussetzungen werden kaum die volle Unterstützung der
Bevölkerung finden. Auf lange Sicht ist aber ein Erfolg
ohne die aktive Mitarbeit der Massen nicht zu erwarten.
Auf der anderen Seite müssen Beschäftigungsprobleme
in ihrer richtigen Perspektive gesehen werden. Wenn sie auch
wichtig und dringend sind, so bilden sie doch nur eines unter
vielen Problemen, die bei der Planung der wirtschaftlichen
Entwicklung zu berücksichtigen sind. Deshalb müssen
Beschäftigungsziele in die Gesamtplanung integriert werden.
Ihre Priorität hängt ab von den Mitteln und Möglichkeiten
der Wirtschaft im Rahmen des Gesamtzieles, nämlich der
Steigerung des Lebensstandards für die gesamte Bevölkerung.
Von diesem Standpunkt aus muß eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik
auf lange Sicht nicht primär darauf gerichtet sein, Arbeitsplätze
für die Arbeitslosen und Unterbeschäftigten zu schaffen,
sondern in erster Linie Beschäftigungsmöglichkeiten
zu schaffen, die soviel als möglich zum Sozialprodukt
und damit zum Wachstum der Wirtschaft beitragen. Beschäftigungsförderung
ist nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Ziel jeder wirtschaftlichen
Entwicklung, nämlich der Erhöhung des Lebensstandards
der gesamten Bevölkerung.
In enger Beziehung zur Beschäftigungspolitik steht die
Frage der Priorität von industrieller oder landwirtschaftlicher
Entwicklung. Sie soll hier nicht näher behandelt werden;
es genügt festzustellen, daß mehr und mehr Ökonomen
dahingehend übereinstimmen, daß Landwirtschaft
und Industrie keine Alternativen, sondern Teile eines Ganzen
sind, die sich gegenseitig ergänzen. Vom Standpunkt der
Beschäftigungspolitik aus kann es als sicher angenommen
werden, daß noch für lange Zeit die Industrie nicht
in der Lage sein wird, eine größere Zahl von ländlichen
Arbeitskräften zu absorbieren. Es wird kurzfristig unmöglich
sein, Dauerarbeitsplätze für mehr als einen kleinen
Teil der Arbeitslosen und Unterbeschäftigten zu schaffen.
Angesichts des Ausmaßes des Beschäftigungsproblems
muß trotz starker Anstrengungen zur Industrialisierung
die Masse der Bevölkerung in absehbarer Zukunft ihre
Lebensgrundlage auf dem Lande finden. Für jede Politik
mit dem Ziel der Vollbeschäftigung ist deshalb die Entwicklung
des ländlichen Sektors von fundamentaler Wichtigkeit.
Das Problem lautet nicht: wie groß ist der Überschuß
an ländlichen Arbeitskräften, der von der Industrie
absorbiert werden muß, sondern vielmehr: wie schnell
kann der ländliche Sektor entwickelt werden, um soviel
als möglich von der zunehmenden Bevölkerungszahl
zu absorbieren. Nur eine wohlausgeglichene Entwicklung von
Industrie und Landwirtschaft kann eine immer stärkere
Wanderung in die Städte verhindern.
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