3.f) Ländliche Industrialisierung
Die Förderung der ländlichen Industrialisierung
ist ein weiterer Weg zur Schaffung nichtlandwirtschaftlicher
Beschäftigungsmöglichkeiten für die ländliche
Bevölkerung. Hierbei ist es zweckmäßig, zwischen
zwei Formen zu unterscheiden. Die Heimindustrie (cottage industry)
arbeitet gewöhnlich mit niedriger Produktivität
und stellt in erster Linie Güter des täglichen Bedarfs
für einen begrenzten lokalen Markt her. Ihre Förderung
erscheint im allgemeinen nicht zweckmäßig, weil
sie bei der Suche nach größeren Märkten bald
an eine Grenze kommen würde, von der ab sie bezüglich
Preis und Qualität nicht mit modernen Produktionsformen
konkurrieren könnte. Aus diesem Grund haben anfängliche
Subsidien die Tendenz, zu Dauereinrichtungen zu werden.
Im Gegensatz dazu besteht bei der Kleinindustrie (small-scale
industry) grundsätzlich kein Produktivitätsunterschied
zur Großindustrie, sondern nur einer bezüglich
der Größe des Betriebes. Diese Form dürfte
eher geeignet sein, nachhaltige und dauerhafte Beiträge
zur Produktion und zur Beschäftigung zu liefern.
Der spezielle Beschäftigungseffekt der Industrie für
die ländlichen Gebiete hängt in erster Linie von
der Standortwahl bei der Gründung solcher Unternehmen
ab. Zum Teil wird diese von wirtschaftlichen Faktoren, wie
Transportverhältnisse und Verfügbarkeit von Rohstoffen
und Kraft, bestimmt. In sehr vielen Fällen sind aber
auch Zufall oder persönliche Präferenz des Unternehmers
Ursache für die Standortwahl. Daraus ergibt sich die
Chance einer Beeinflussung der Industriestandorte zugunsten
der ländlichen Gebiete. Die Regierungen haben ja ein
umfangreiches Instrumentarium zur Beeinflussung der Standortwahl
für Industrieunternehmungen zur Verfügung, von der
Lizenzierung über Steuernachlässe, Subsidien, Zurverfügungstellung
von Grundstücken, Verbesserung der Infrastruktur, Gewerbeschulen
usw. Solche Maßnahmen haben in gewissem Umfang ihre
wirtschaftliche Berechtigung, da die Gesamtwirtschaft durch
die hohen Sozialkosten der Ballungsräume erheblich belastet
wird. Außerdem stimuliert eine Industrieansiedlung auf
dem Lande die wirtschaftliche Entwicklung des sogenannten
Hinterlandes und verringert so die wirtschaftliche und soziale
Differenz zwischen Stadt und Land.
Selbstverständlich darf man sich eine ländliche
Industrialisierung nicht so vorstellen, daß auf dem
letzten Dorf Industrieunternehmen entstehen sollen.
Vielmehr wird eine regionale Konzentration in den kleineren
Verwaltungszentren, besonders entlang der Eisenbahnlinien
und Hauptstraßen, nötig sein, um wirtschaftlichen
Grunderfordernissen gerecht zu werden. Der Beschäftigungseffekt
solcher Industrialisierungs-maßnahmen ist erfahrungsgemäß
nicht auf die Zahl der primär geschaffenen Arbeitsplätze
beschränkt. Vielmehr entstehen durch größeren
Bedarf an Dienstleistungen sekundär weitere Arbeitsplätze.
Die Hebung des Lebensstandards der Arbeitskräfte ist
bei ländlicher Industrialisierung erheblich höher
als bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze in den Städten.
Im Falle der ländlichen Industrialisierung wird die Mehrheit
der Arbeitskräfte ihre bisherige Wohnung und Lebensgrundlage
der Familie beibehalten. Der Lohn aus der Industriearbeit
ist also voll zusätzliches Einkommen. Personen, die Arbeitsplätze
in der Stadt aufnehmen, müssen jedoch von ihrem bisherigen
Wohnort abwandern und in der Stadt eine Unterkunft suchen.
Infolge der höheren Lebenshaltungskosten in der Stadt
ist vielfach keine Änderung im materiellen Lebensstandard
der Familie festzustellen, sondern eher sogar ein Absinken.
|