2.b) Erziehungswesen und Beschäftigung
In den meisten afrikanischen Ländern hat das Grundschulwesen
sich in den letzten Jahren stark ausgedehnt. Dies war sicherlich
sozial wünschenswert. Nach der Unabhängigkeit gab
es für die Regierungen wohl auch keine Möglichkeit,
den drängenden Wünschen der Bevölkerungsmassen
nach Schulbildung auszuweichen. Im Gegensatz zu Asien besteht
ja in Afrika ein ausgesprochener Bildungshunger. Es ist jedoch
Gegenstand heftiger Diskussionen, ob der schnelle Ausbau des
Grundschulwesens wegen der umfangreichen dazu notwendigen
Investitionen nicht zuviel des knappen Kapitals verschlungen
hat. Die hohe Zahl der arbeitslosen Schulentlassenen wird
als Beweis dafür angeführt, daß die starke
Forcierung des Schulwesens im Verhältnis zur wirtschaftlichen
Entwicklung des Landes unangemessen war.
Die Verteilung begrenzter Investitionsmittel auf schon kurzfristig
Ertrag abwerfende Produktionsstätten und nur auf lange
Sicht sich bezahlt machende Projekte im Erziehungs- und Ausbildungswesen
ist ein schwer zu lösendes Problem. Man benutzt jedoch
ein ungeeignetes Kriterium, wenn man den Umfang des Grundschulwesens
an der Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze orientieren
will. Für den Ausbau von Sekundär-, Fach- und Hochschulen
mögen Bedarfszahlen geeignete Planungsunterlagen darstellen;
im Falle der Grundschulen handelt es sich um ein Verkennen
der Aufgaben der Primarschulen. Die Grundschule schafft in
erster Linie die Voraussetzungen dafür, daß die
jungen Menschen ihre Rolle als Bürger ihrer Gesellschaft
ausüben können, ein Ziel, das nichts mit der Zahl
der verfügbaren Arbeitsplätze zu tun hat. Dieses
Argument bedeutet nicht unbedingte Zustimmung zur Expansionsrate
im Grundschulwesen. Sicher hätte in manchen Fällen
eine etwas andere Verteilung des Erziehungsbudgets zugunsten
der Sekundär- und Berufsschulen den Erfordernissen der
wirtschaftlichen Entwicklung mehr entsprochen.
Eine Verkennung der Ziele des Grundschulwesens und der sich
durch den Besuch ergebenden Berufsmöglichkeiten ist auch
bei den Schülern und Eltern festzustellen. Oft wird im
Abschlußzertifikat einer Grundschule bereits eine Art
Recht auf einen städtischen Beruf gesehen. Zwar ist die
Eignung eines Absolventen einer Grundschule für berufliche
Tätigkeit nicht wesentlich größer als die
von Analphabeten, und die Erfahrung zeigt, daß nicht
wenige einige Jahre später bereits das Lesen und Schreiben
wieder verlernt haben. Dies trifft besonders für die
vielen Fälle zu, in denen die Kinder bereits nach zwei
oder drei Jahren den Schulbesuch abbrechen. Der Absolvent
hat jedoch — wie begrenzt seine Ausbildung auch sein
mag — das Gefühl, mehr zu können als seine
Mitmenschen, einschließlich seiner Eltern. Er fühlt
sich deshalb berufen zu gehobener Tätigkeit und nicht
zu der gewöhnlich von Analphabeten ausgeübten Landbewirtschaftung.
Diese von der ländlichen Gesellschaft geteilte Einstellung
ist sicher zum Teil Ergebnis der Erfahrungen aus der Vergangenheit,
als jeder mit auch nur geringer Ausbildung ohne Schwierigkeit
einen Stadtberuf fand. Mit zunehmender Verbreitung der Schulausbildung
wird sich dies zwangsläufig ändern.
Zum Teil liegt es wohl an der Art der derzeitigen Schulausbildung,
wenn bereits die Grundschule zu einem Abwandern aus der Landwirtschaft
führt. Die geringe Orientierung der ländlichen Grundschulen
an ihrer Umwelt fördert bestimmt nicht das Interesse
der Schüler an der Landwirtschaft. Stoff der Lesebücher
und Inhalt der Rechenbeispiele werden vorzugsweise städtischen
Themen entnommen. Unterrichtung über die Rolle der Landwirtschaft
in der Gesellschaft, über Aufgaben und Arbeit von Genossenschaften
und ähnliche landbezogene Themen sind kaum zu finden.
In einigen Ländern, wie Nigeria und dem Sudan, wird versucht,
die ländlichen Probleme und Themen mehr in den Schulunterricht
zu integrieren. Daraus mögen sich positive Auswirkungen
auf die Landbewirtschaftung ergeben; außerdem vermutet
man sicherlich zu Recht, daß es einfacher ist, die Jungen
zum Im-Dorf-Bleiben zu veranlassen, als zur Rückkehr
von der Stadt zu bewegen.
Positive Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation
hätte sicherlich auch eine Intensivierung der Erwachsenenbildung,
besonders, wenn Art und Thematik nicht so sehr dazu führen,
daß neue Wünsche geweckt werden, sondern die Bevölkerung
angeleitet wird, durch eigene Anstrengungen ihr Los zu verbessern.
Die Erwachsenenbildung müßte sich dazu auf landwirtschaftliche
und andere Themen konzentrieren und die Menschen aufnahmebereit
für Neuerungen und Veränderungen machen. Während
die Schulausbildung der Kinder erst im Laufe längerer
Zeiten Auswirkungen auf die ländlichen Gebiete haben
wird, sind solche bei Erwachsenenbildung innerhalb kürzerer
Fristen zu erwarten. Sie entsprechen daher in besonderem Maße
den Bedürfnissen der Wirtschaft nach schnellen sichtbaren
Erfolgen.
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