3.c) Arbeitsdienste und Ausbildungsprogramme für die Jugend

Eine ganze Reihe von afrikanischen Ländern hat unter den verschiedensten Namen Einrichtungen geschaffen, die in gewissem Sinne unserem früheren Arbeitsdienst entsprechen. Die Ziele dieser Organisationen sind meist nicht klar definiert. Oft werden mehrere Absichten verfolgt. Die Betonung der einzelnen Ziele ist je nach den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der Länder verschieden und hat sich im Laufe der Zeit auch innerhalb der Länder gewandelt. Folgende Gesichtspunkte sind dabei von besonderer Bedeutung:

a) Schaffung von Beschäftigung für Arbeitslose,
b) Berufsausbildung,
c) Änderung der Einstellung zur Arbeit und Arbeitsdisziplin,
d) Durchführung von Infrastrukturarbeiten zum Wirtschaftsaufbau.

Teilweise wird auch eine halbmilitärische Ausbildung angestrebt. In einigen Ländern wird der Arbeitsdienst ausdrücklich als vorübergehende Institution angesehen, bis die Entwicklung soweit fortgeschritten ist, daß genügend Beschäftigungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt geboten werden. Diese Auffassung nähert sich dem Gedanken einer produktiven Arbeitslosenunterstützung, ähnlich den Notstandsarbeiten während der Weimarer Zeit.

In allen Ländern sind die Arbeitsdienste bisher zahlenmäßig recht klein geblieben. Die Zahl der freiwilligen Bewerber übersteigt die Kapazität der Organisationen bei weitem. Trotzdem haben es einige Länder für notwendig gehalten, eine zwangsweise Rekrutierung vorzunehmen. Als Begründung wird angegeben, daß zu Beginn der Entwicklung „wirtschaftliche Verteidigung" so wichtig sei wie militärische Verteidigung. Diese Argumentation wirkt angesichts zahlreicher Freiwilliger nicht recht überzeugend. Sicherlich dürfte die Effizienz eines Arbeitsdienstes mit Freiwilligen höher sein als bei Zwangsrekrutierung, die dazu noch eventuell einen bereits Beschäftigten aus seinem Arbeitsplatz herauslöst, Arbeitslosen dagegen nicht zur Beschäftigung verhilft. Eine zwangsweise Rekrutierung steht überdies im Widerspruch zum geltenden internationalen Recht. Nach der Forced-Labour-Convention der Vereinten Nationen ist ein Arbeitszwang nur zugelassen bei lokalen Gemeinschaftsarbeiten zum gemeinsamen Nutzen.

Eine abschließende Beurteilung der verschiedenen Arbeitsdienste ist zur Zeit noch nicht möglich, da sie bisher noch zu kurze Zeit existieren. Insbesondere fehlen noch Zahlen für eine Berechnung der Wirtschaftlichkeit. Bisher sollen alle Organisationen erhebliche Zuschüsse erfordern. Für Kenia wird von einem Staatszuschuß von jährlich 150 £ pro Person gesprochen. Um die Belastung des Staatsbudgets zu senken, hat die Arbeitsdienstorganisation von Ghana größere landwirtschaftliche Betriebe in Bewirtschaftung genommen, um so die Nahrungsmittel für die Verpflegung der Angehörigen selbst zu erzeugen und durch diese teilweise Selbstversorgung die Unterhaltskosten zu senken.

Auch ohne genaue Unterlagen muß man den Kritikern wohl recht geben, die meinen, daß die Arbeiten von privaten Firmen oft billiger ausgeführt werden könnten als von den Arbeitsdiensten. Allerdings verkennt diese Kritik, daß Ziel und Aufgabe der Organisationen nicht nur in der Leistung gewisser Arbeiten besteht, sondern in erster Linie in einer Berufsausbildung. Hier ist auch die Rechtfertigung dieser Organisationen zu suchen.

Man kann sich allerdings fragen, ob die Qualität der Ausbildung den Ansprüchen genügen wird. Die Dienstzeit beträgt üblicherweise zwei Jahre, und da die Aktivitäten neben der Ausbildung noch andere Bereiche umfassen, bleibt sicher wenig Zeit für ein berufliches Training. Es werden also bestenfalls angelernte Arbeiter geschaffen. Bei der geringen Zahl von Personen mit handwerklichen Fähigkeiten in den afrikanischen Ländern ist dies sicherlich besser als nichts. Außerdem können geschickte Personen sich im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit in ihren Fertigkeiten fortentwickeln. Ein Mann, der als Bauschreiner beginnt, kann nach gewisser Zeit einfache Möbel produzieren und später zur Herstellung von Möbeln für den gehobenen Bedarf übergehen. Die qualitativ stark differenzierte Nachfrage nach Gebrauchsgütern und Reparaturen in Afrika entsprechend der unterschiedlichen Kaufkraft kommt dem sehr entgegen.

Von großer Bedeutung ist die Koordinierung der Ausbildung mit dem Bedarf. Kurzfristig ist der Arbeitsmarkt ungeachtet des Mangels an ausgebildeten Arbeitskräften relativ eng. Außerdem ist eine Ausbildung für manche Fertigkeiten leichter zu organisieren als für andere, und die Ausbildung größerer Gruppen im gleichen Beruf ist einfacher. Es besteht daher die Gefahr, daß bald in einigen Berufen ein Überangebot an halbgelernten Kräften erzeugt wird und diese Schwierigkeiten haben, mit ihren neuen Kenntnissen eine Beschäftigung zu finden. Das Ergebnis wäre tiefe Enttäuschung bei den Betroffenen und erhebliche Verluste für die Wirtschaft.

Nicht zu unterschätzen ist die erzieherische Wirkung der Arbeitsdienste und ähnlicher Organisationen. Arbeitsdisziplin, Gefühl für die Würde der Arbeit, für Zeiteinteilung und Leistung sind Werte, deren Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Bei den autoritären Regimen besteht allerdings die Gefahr, daß unter dem Deckmantel der Erziehung zur Disziplin die Ideologie der Regierungskreise eingedrillt wird.

Das Urteil über alle arbeitsdienstähnlichen Projekte wird letztlich durch die Erfolge bestimmt werden, die Absolventen bei der Gründung einer Existenz haben. Finden sie keine passende Beschäftigung, dann war ihre Dienstzeit und die Investition des Staates umsonst und wird zu einem Rückgang im Ansehen und Interesse an der Organisation führen. Einige Dienste sehen daher besondere Maßnahmen vor, die die Eingliederung der Absolventen in die Wirtschaft erleichtern sollen. Zwangssparprogramme für einen Teil des Soldes wären ein Beispiel. Das ersparte Geld wird bei Ausscheiden nicht in bar ausgezahlt, sondern vielmehr erhält der Ausscheidende Werkzeuge in dem Beruf, den er gelernt hat.

Insgesamt wird der Beitrag der arbeitsdienstähnlichen Organisationen zur Lösung der Beschäftigungsprobleme nur gering sein. Die hohen Kosten und die organisatorischen Schwierigkeiten, besonders bei der Beschaffung von Unterkünften, Aufsichts- und Ausbildungspersonal, werden auch in Zukunft verhindern, daß die Zahl der Angehörigen solcher Organisationen über eine enge Grenze steigt.

Die eben angesprochene Schwierigkeit, Absolventen einer Ausbildung auch tatsächlich zu einer Tätigkeit in ihrem Beruf zu bringen, besteht auch bei anderen Ausbildungsmethoden. Dieser Gesichtspunkt spielt bei der Diskussion um die Vorzüge und Nachteile der beiden wichtigsten Ausbildungsmethoden, nämlich der Gewerbeschulen und des Lehrlingssystems, eine bedeutende Rolle. Die Gewerbeschulen bieten im allgemeinen eine bessere technische Ausbildung als die Lehrmeister, deren berufliche und pädagogische Fähigkeiten begrenzt sind. Auf der anderen Seite gewinnen die Lehrlinge mehr Erfahrungen im praktischen Geschäftsbetrieb und sind nach Ablauf der Ausbildungszeit eher in der Lage, ein eigenes Geschäft aufzumachen. Die Erfahrung zeigt dagegen, daß Absolventen von Gewerbeschulen meist über die Arbeitsämter versuchen, eine Anstellung zu bekommen, ein Unterfangen, das bei der beschränkten Zahl an Arbeitsplätzen oft wenig Erfolg hat.

In einem Land hat man durch ein interessantes Experiment versucht, den Schritt zur beruflichen Selbständigkeit nach Abschluß der Ausbildung zu erleichtern. Die Lehrlinge dürfen vorn zweiten Lehrjahr ab wöchentlich einen Tag auf eigene Rechnung arbeiten. Zunächst werden sie nur einfache Arbeit übernehmen und auch nur geringe Bezahlung verlangen. Damit decken sie gleichzeitig die Bedürfnisse der ärmeren Schichten, die die normalen Handwerkerlöhne nicht bezahlen können. Es wird also dem Meister nur in begrenztem Rahmen Konkurrenz gemacht. Mit zunehmender Dauer der Ausbildung können dann immer schwierigere Arbeiten für höhere Bezahlung übernommen werden. Der Lehrling lernt Umgang mit der Kundschaft, kalkulieren usw. und hat bei Ende der Ausbildungszeit einen kleinen eigenen Kundenstamm, der ihm die Geschäftsgründung erleichtert.