2.3 Produktionsverhältnisse

Unterschiedliche Produktionsverhältnisse, in der Landwirtschaft besonders durch Agrarstruktur und Agrarverfassung gekennzeichnet, absorbieren unterschiedlich viel Arbeitskräfte unterschiedlicher Qualifikation. Da Agrarverfassungen als Institutionen sich nur sehr langsam ändern, beeinflussen sie langfristig Umfang und Art der in einem Gebiet vorhandenen Arbeitskräfte.
Erhebliche Unterschiede im Beschäftigungsumfang lassen sich zwischen verschiedenen Betriebsgrößen feststellen. Familien mit Kleinbetrieben versuchen so viel Land und Kapital wie nur erreichbar mit ihrer gegebenen Familienarbeitskraftmenge zu kombinieren. Sie suchen ihr Einkommen zu maximieren durch maximalen Einsatz ihrer vorhandenen Arbeitskräfte. In der Praxis führt dies zu Anbau von arbeitsintensiven Kulturen und starkem Engagement in der tierischen Produktion.
Während bei Kleinbetrieben aus Einkommensinteresse der Bewirtschafter so viel Arbeit als möglich eingesetzt wird bei sehr geringer Landausstattung kommt es allerdings trotzdem zu Unterbeschäftigung ist die Interessenlage der Großbetriebsinhaber gerade umgekehrt. Bei ihnen werden überwiegend Fremdarbeitskräfte verwandt. Um Arbeitskosten zu sparen wird man einen geringen Arbeitsaufwand anstreben. Nach Arbeitsbeziehungen und Qualifikationen handelt es sich auch um andere Verhältnisse. Die Entlohnung besteht nicht in innerfamiliärer Aufteilung des Gewinns, sondern in einer Entlohnung für geleistete Arbeit meist nach Zeiteinheiten und in einer Höhe, die stark von den Kräfteverhältnissen am Arbeitsmarkt bestimmt ist und bei der daher die Arbeiter meist schlecht wegkommen. Ihr von dieser Situation herrührendes geringes Interesse versucht man im Großbetrieb durch Verzicht auf Anbau von Früchten auszugleichen, bei denen hohe Qualitätserfordernisse bestehen und die überhaupt hohe Handarbeitsanforderungen haben. Aus gleichen Gründen spielt meist die tierische Produktion, besonders die Milcherzeugung, eine geringere Rolle.
Im Vergleich der verschiedenen Organisationsformen des Grundbesitzes zeichnet sich der Familienbetrieb durch vergleichsweise hohen Arbeitseinsatz aus. Die Gewißheit, daß alle Ergebnisse der Anstrengungen auch wieder der Familie zufließen, wirkt hier als Anreiz, dem lediglich durch die teilweise unzureichende Landausstattung eine Grenze gesetzt ist. Allerdings steigt der Arbeitsaufwand bei Familienbetrieben mit zunehmender Größe unterproportional. Dies hat nicht nur betriebswirtschaftliche und produktionstechnische Gründe, sondern auch soziale Ursachen. Familienbetriebe sind exklusiv und tun sich schwer, Fremdarbeitskräfte in den Verband aufzunehmen. Erst wenn dies unumgänglich ist und Arbeitskräftemangel nicht durch Extensivierung und Überlastung ausgeglichen werden kann, beschäftigt man Fremdarbeitskräfte, und zwar in Familienarbeitskräften ähnlichen Formen: Ledige Personen werden quasi in die Familie integriert.
Bei Kollektiven hängt der Umfang der Absorption von Arbeitskräften in starkem Maße von der Besiedlungsdichte ab. Kollektive sind besser als Arbeitseinheiten denn als Betriebe aufzufassen, die für alle in ihnen lebenden Personen so viel wie möglich Arbeit in und außerhalb der Landwirtschaft finden müssen. Ähnlich den Familienbetrieben ist es im Interesse des Kollektivs, solange mehr Arbeit einzusetzen, als dies noch zu einem Mehrprodukt führt. Probleme entstehen bei Kollektiven eher in der Motivation, weil der Einsatz des Einzelnen sich kaum in seinem Lohn ausdrückt. Ein System von Prämien soll hier eingreifen. Während das Kollektiv allen Erwerbspersonen Zugang zur Arbeit und damit Existenzgrundlage schafft Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung einzelner existieren nicht, und die Arbeit wird gleichmäßig verteilt hängt die Qualität der Existenz vom erwirtschafteten Gewinn ab. Unter schlechten Verhältnissen mag sich ein System geteilter Arbeit entwickeln, das wenig Kräfte zur Änderung durch Abwanderung zeigt.
Der Beschäftigungsumfang bei Pachtbetrieben ist unterschiedlich zu beurteilen. Einerseits bewirkt die Kleinheit der Landzuteilung einen Zwang zu hohem Arbeitseinsatz, um den Ertrag und damit das Einkommen möglichst zu steigern. Die Kontrolle der Verpächter wirkt in gleicher Richtung. Andererseits verlangen viele Verpächter den Anbau von leicht zu kontrollierenden Grundnahrungsmitteln und verbieten den Anbau arbeitsintensiver Früchte wie Gemüse sowie stärkere Viehhaltung, wodurch der Arbeitsaufwand künstlich begrenzt wird. Die verbreitete Pachtunsicherheit, bei Teilbau auch die Tatsache, daß nur ein Teil des Ertrages jeder Mehrleistung dem Pächter zufällt, sind schließlich nicht gerade motivierend für hohe Arbeitsaufwendung. Bei Geldpacht ist dies weniger stark ausgeprägt als bei Teilpacht und dürfte in Fällen hoher Pachtsicherheit kaum wirksam sein. Insgesamt wird der Beschäftigungsumfang bei Pacht unter dem für Familieneigentum liegen.
Wenn die Landwirtschaft bei ihrer Produktion durch die verschiedenen Förderungsinstitutionen unterstützt wird, kann eine Umgestaltung und Ausdehnung der Produktion und eine Änderung der dabei verwandten Verfahren schneller oder überhaupt erst möglich gemacht werden. Insofern sind gut ausgebaute Beratungs und Krediteinrichtungen, Institutionen für die Beschaffung von Produktionsmitteln und zum Absatz der Erzeugnisse geeignet, die Möglichkeiten zur Erhöhung des Arbeitsaufwands in der Landwirtschaft zu vergrößern. Gleiches gilt letzten Endes für eine intensive Integration der Landwirtschaft in die Gesamtwirtschaft. Da die Produktion in der Landwirtschaft quantitativ und wertmäßig begrenzt wird durch die Aufnahmefähigkeit des Marktes, ist eine Entwicklung der Gesamtwirtschaft ein wichtiger Bestimmungsgrund für den Beschäftigungsumfang in der Landwirtschaft.