4. Beschäftigungsförderung in der Landwirtschaft als politische Frage


Die bisherigen Erörterungen hatten ergeben, daß eine Erhöhung der Beschäftigung in der Landwirtschaft technisch durchaus möglich ist, und daß auch geeignete Instrumente zur Beeinflussung der Produzenten in Richtung arbeitsintensiver Produktion zur Verfügung stehen. Trotzdem haben die bisherigen Bestrebungen zur Beschäftigungsförderung in der Landwirtschaft nur geringen und vorübergehenden Erfolg gezeigt.
Nun ist bei der Bewertung dieser Situation zu berücksichtigen, daß Beschäftigungsförderung für eine Regierung nur ein Ziel unter anderen ist. Der Stellenwert, der diesem Ziel eingeräumt wird, hängt nicht zuletzt von den politischen Gegebenheiten in den Ländern ab, also von der Verteilung von Macht und Interesse unter den gesellschaftlichen Kräften. Nur zu leicht erhält dabei die Beschäftigungsförderung nur eine nachrangige Betonung. Beschäftigungspolitik findet ja nicht im luftleeren Raum statt, und deshalb ist ihre politische Durchsetzbarkeit wichtigstes Kriterium für ihre Erfolgschancen. Für viele Länder sind dabei die realen Möglichkeiten ausgesprochen begrenzt.
Dies rührt u.a. von dem notwendigen Aufwand her. Eine Beeinflussung der Determinanten für den Beschäftigungsumfang in der Landwirtschaft verlangt hohe finanzielle und organisatorische Aufwendungen, also Aufwendungen in Bereichen, an denen Entwicklungsländer traditionell knapp sind. Eine Grundvoraussetzung, nämlich die Ausdehnung der Bewässerung, erfordert hohe Investitionen. Noch schwieriger dürfte es sein, die organisatorischen Fähigkeiten bereitzustellen, die zu einer Änderung der Produktionsverhältnisse und für einen Wandel der institutionellen Gegebenheiten, also etwa eine Agrarreform, erforderlich sind. Auch umfassende Änderungen in der Preispolitik werden bald die Fähigkeit derAdministration überschreiten. Unter diesen Gegebenheiten bestehen wenig Chancen für einen starken politischen Willen zu Beschäftigungsförderung. Die Intensität der Maßnahmen spiegelt das politische Gewicht der Interessengruppen wider, und Arme und Unterbeschäftigte sind kein Machtfaktor. In ländlichen Gebieten sind sie noch dazu räumlich sehrzerstreut, sodaß kaum eine Organisations und Artikulierungsmöglichkeit besteht.
Unter den Gegebenheiten vieler Länder ist Beschäftigungsförderung in der Landwirtschaft zwar technisch machbar, aber politisch kaum durchsetzbar. Eine Machtumverteilung, wie sie eine strikte Agrarreform bewirken würde, scheint die Voraussetzung für eine aktive Beschäftigungspolitik zu sein, da sie die Eigentumsverhältnisse, Produktions und Distributionssysteme ändert und damit eine soziale Kontrolle der ländlichen Entwicklungspolitik möglich macht. Bis dahin werden höchstens Maßnahmen zugunsten von Armen und Unterbeschäftigten Erfolg haben, die den Interessen anderer Gruppen nicht zuwiderlaufen. Man sollte sich deshalb keine Illusionen machen und spektakuläre Erfolge erwarten. Bereits eine Korrektur von starken Abweichungen von der Faktorausstattung angepaßten Produktionssystemen würde unter den Gegebenheiten ein Erfolg sein.
Die Chancen sind vergleichsweise besser in Ländern mit kollektivierter Landwirtschaft. Die größere Einheit erlaubt mehr Aufwendungen für Kapitalbildung. Sonst liegt der Vorteil mehr in einer regionalen Egalisierung der Einkommen, denn in höherem produktiven Arbeitseinsatz. Aber gerade die ärmeren Schichten würden hiervon Nutzen haben. Wie weit Vorteile dieses Systems durch organisatorische und administrative Schwächen und Motivationsprobleme wieder ausgeglichen werden, bleibt eine offene Frage.
Von großer Bedeutung ist die Besiedlungsdichte der einzelnen Länder. In dünn besiedelten Ländern besteht eher die Möglichkeit, nicht beschäftigten Personen Zugang zu Ressourcen zu verschaffen, besonders wenn institutionelle Änderungen möglich sind. In dicht besiedelten Ländern würde selbst eine volle Umverteilung des Bodens nicht ausreichen, jedem eine annehmbare Existenz zu geben, so daß sich hier keine kurzfristige Lösung der Probleme anbietet. Die Absorptionsmöglichkeiten der Landwirtschaft für Arbeit sind begrenzt, solange man produktive Beschäftigung und nicht nur geteilte Armut im Auge hat.
Eine Hoffnung mag in der Erfahrung einiger Länder wie Taiwan und Korea liegen, die trotz hoher Besiedlungsdichte und knapper Ressourcenausstattung innerhalb von 20 Jahren den Übergang von Arbeitskräfteüberschuß zu Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft erreicht haben. Der Schlüssel scheint in einer raschen Industriealisierung verbunden und verflochten mit Entwicklung der Landwirtschaft bei gleichzeitig hoher Arbeitsdisziplin und längerem Verzicht auf Einkommenserhöhungen zu liegen. Wie weit sich solch ein Modell auch in anderen Ländern durchsetzen könnte, ist weitgehend eine politische Frage.


Beschäftigungsförderung in der Landwirtschaft :
Begriffe, Ziele und Ausprägung der Probleme.
in: Arbeitslosigkeit als Schicksal? Beschäftigungsprobleme in der 3. Welt. Hrsg. von Lothar Späth. Bonn-Aktuell ; 6. Stuttgart 1983, S. 139-171.

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