4.1.1 Umverteilung des Bodeneigentums

4.1.1.1 Erfassung des Landes

Die Landschenkung ist ein Sonderfall ohne größere praktische Bedeutung, der durch die weltweit diskutierte indische Bhoodan- und Gram-dan-Bewegung ViNOBA BHAVES bekannt geworden ist (3). In manchen Ländern, wie Äthiopien und Iran, haben Staat und Krone Land zur Verteilung an die Bewirtschafter zur Verfügung gestellt.

Manche Länder versuchen, die Grundbesitzer zu freiwilligem Verkauf von Land an Pächter und Landlose zu bewegen. Dieser Aufforderung kann Nachdruck verliehen werden durch einen proportional mit Umfang des Grundbesitzes steigenden Steuersatz oder durch Zusatzsteuern für Großgrundbesitzer und Grundeigentümer, die fern von ihrem Landbesitz leben (absentee landlords). Stärker wirkt noch die Androhung einer Agrarreform. Wird eine Reform durchgeführt, aber die Betroffenen haben noch eine Frist zum privaten Verkauf, dann mag die Verwaltungsarbeit geringer werden. Überhaupt liegt der Hauptvorteil eines freiwilligen Verkaufs in der administrativen Vereinfachung. Ob die Ziele der Agrarreform erreicht werden, ist jedoch sehr fraglich. Das Land wird in die Hände wohlhabender Personen kommen, aber selten in die der Pächter und Kleinlandwirte, denn diese haben zum Kauf kein Geld. Oft wird nur schlechtes Land verkauft. Scheingeschäfte mit Familienangehörigen sind nicht selten, so daß insgesamt diese Maßnahme von geringem Erfolg ist.

Deshalb ist eine Enteignung von Grundeigentum in den meisten Agrarreformgesetzen vorgesehen. Zu einer totalen Enteignung kommt es nur in sozialistischen Ländern oder bei bestimmten Personengruppen wie absentee landlords und Angehörigen der früheren Herrscherhäuser. Meist wird eine Obergrenze für zulässigen Landbesitz (ceiling) festgesetzt, und darüber hinausgehende Flächen werden enteignet. Diese Obergrenze bestimmt den Umverteilungsgrad und damit die Radikalität der Reform. Sie ist daher eine eminent politische Entscheidung, die mehr vom Durchsetzungsvermögen der Regierung als von wirtschaftlichen Überlegungen abhängt. Die Obergrenze wird oft in mehreren Etappen verringert, um die Brisanz der Maßnahmen zu schmälern. Ihre absolute Höhe hängt u. a. von Bodenqualität, Wasserversorgung der Früchte (Bewässerung oder Regenfeldbau) und Familiengröße ab. In dichtbesiedelten Ländern mit hoher Nachfrage nach Land ist es nicht möglich, allen Landlosen und Landarmen Land zu geben, weil die Obergrenze so niedrig festgesetzt werden müßte, daß unwirtschaftliche Einheiten übrigblieben.

Bei gegebener Technologie begrenzt die zulässige Obergrenze die potentiellen Einkommen im Agrarsektor nach oben und reizt dadurch eventuell zu einer Abwanderung der fähigsten Teile der Agrarbevölkerung an. Meist sehen die Gesetze vor, daß die Obergrenze auch durch Zu-kauf oder Erbschaft nicht wieder überschritten werden darf. In anderen Ländern nimmt man die Anlage von Obstkulturen und Kultivierung von Ödland von der Obergrenze aus und lenkt so Investitionen in die Landwirtschaft. Manche Länder diskutieren bei fortgeschrittener Entwicklungsstufe mit anderen Erfordernissen, ob die vor 30 Jahren festgesetzte Obergrenze heute erhöht werden soll.

4.1.1.2 Verteilung des Bodens

Die Auswahl der Begünstigten für eine Verteilung wird stark durch die zur Verfügung stehende Bodenfläche bestimmt. Teilweise haben alle Personen, soweit gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt sind, Anspruch auf Landzuteilung. Meist zwingt die begrenzte verfügbare Landfläche zu einer Präferenzskala, wonach die tatsächlichen Bewirtschafter des Landes erste Priorität bei der Zuteilung erhalten. Es folgen andere Ortsansässige. Vielfach verwendet man das Land auch lieber zur Aufstockung zu kleiner Betriebe.

Die Größe der Landzuweisung hängt ab vom verfügbaren Land, von der Interessentenzahl und von wirtschaftlichen Erwägungen. Letztere bewirken, daß durch die Reform manchmal Betriebsgrößen geschaffen werden, die über dem Landesdurchschnitt liegen. Aus ähnlichen Erwägungen wird nicht nur eine Ober-, sondern manchmal auch eine Untergrenze festgelegt, die auch durch Verkauf, Erbschaft usw. nicht wieder unterschritten werden darf. Fehlt solch eine Bestimmung, dann ist ein dauerhafter Erfolg zweifelhaft, weil die neuen Existenzen schnell wieder zunichte gemacht werden.

Die Rechte der Begünstigten werden bei vielen Reformen begrenzt. Bis zur Bezahlung, teilweise auf Dauer, bekommen sie nur ein erbliches Nutzungsrecht, und auch dieses kann bei mangelhafter Bewirtschaftung entzogen werden. Häufig ist Selbstbewirtschaftung vorgeschrieben, und eine Aufteilung bei der Vererbung ist verboten. Der Staat oder die Reformbehörde behält sich ein Vorkaufsrecht oder ein Genehmigungsrecht für Verkäufe vor. Manchmal will man den Erfolg der Reform durch eine Zwangsmitgliedschaft in einer Reformgenossenschaft mit Einfluß auf die Bewirtschaftung und Vermarktung sichern.

4.1.1.3 Finanzielle Aspekte

Eine Entschädigung der Enteigneten wird außer in sozialistischen Ländern und bei besonderen Personengruppen immer vorgesehen, nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen, sondern wegen der sonst drohenden Gefahr eines Vertrauensverlustes für Privateigentum und entsprechenden Konsequenzen für die Wirtschaft insgesamt. Als Bemessungsgrundlage für die Höhe der Entschädigung wäre eine Bodenschätzung von hohem Wert. Da sie vielfach nicht vorhanden ist, müssen andere Verfahren herangezogen werden. Der Marktwert ist wenig geeignet, da meist kein Bodenmarkt besteht und die Preise wegen Spekulation, Prestige, der praktischen Steuerfreiheit von Grundeigentum u. ä. stark überhöht sind. Zum Teil wurde mit einem Prozentsatz des Marktwertes entschädigt. Eine Entschädigung mit einem Vielfachen der Grundsteuer ist verwaltungseinfach, sie bestraft zudem frühere falsche Steuerangaben. Die Produktion bzw. ihr Wert eignet sich besonders als Berechnungsbasis, wenn nur wenige Früchte angebaut werden. Allerdings sind Ertragsdaten schwer erhältlich.

Die tatsächliche Höhe der Entschädigung ist eine weitgehend politische Frage und hängt nicht zuletzt von der Macht und dem Durchsetzungsvermögen des Staates ab. Hohe Entschädigungen bedeuten, daß weniger die Vermögensverteilung als die Vermögenszusammensetzung geändert wird. Sie kann den Staat stark belasten, besonders wenn er nicht in Form von Kaufpreisraten korrespondierende Einnahmen hat. In einer Reihe von Reformen wurden die Entschädigungssätze später verringert, und oft erleichtert eine Inflation das Bezahlen, entwertet aber gleichzeitig die Entschädigung.

Die Form der Entschädigungszahlung hat bedeutende wirtschaftliche Konsequenzen. Selten wird sie auf einmal gezahlt, sondern meist in 10 bis 40 Jahresraten. Zu kleine Summen werden möglicherweise nicht reinvestiert, sondern gelangen in den Konsum, weswegen kleine Entschädigungsbeträge manchmal sofort ausgezahlt werden. Die Enteigneten erhalten vielfach Staatspapiere mit einer Verzinsung von 1,5 bis 5 %, teilweise mit steigendem Zinssatz, die zur Steuerzahlung, zum Kauf unkultivierten Landes und von Industrieaktien verwendet werden können. Noch direkter ist die Investitionslenkung, wenn die Entschädigung in Industrieaktien erfolgt. Bisweilen lauten die Staatspapiere auf Mengen von Grundnahrungsmitteln und sind so inflationsgeschützt.

Die Nutznießer erhalten das Land selten kostenlos, sondern gegen einen Kaufpreis, der bevorzugt in mit der Entschädigung korrespondierenden Raten zu zahlen ist. Zu hohe Kaufpreisraten hindern allerdings nicht nur eine Verbesserung des Lebensstandards, sondern auch die ordnungsgemäße Bewirtschaftung. Für die administrativen Kosten wird zum Teil ein Zuschlag auf den Kaufpreis erhoben. Anderenfalls muß der Staat diese übernehmen (44; 48).