7.3 Bewertung von Siedlungen
Eine Beurteilung von Siedlungsprojekten kann vom Standpunkt
des Siedlers, des Siedlungsträgers und der Volkswirtschaft
vorgenommen werden. Die Nutzwirkungen können zudem direkt
oder indirekt sein (41). Grundsätzlich bestehen noch
große Möglichkeiten zur Ausdehnung von Acker- und
Dauerkulturland, also für Siedlungsmaßnahmen. Manche
Schätzungen halten eine Verdoppelung der jetzigen Fläche
für möglich. Diesen technischen Möglichkeiten
stehen aber ökonomische Gründe entgegen (62). Die
ertragreichen und leichter bebaubaren Teile des Landes werden
bereits bewirtschaftet, und Inkulturnahme wird zunehmend teurer.
Gleiches gilt für Ausdehnung von Bewässerung. Falls
eine Produktionssteigerung mit der Siedlung erstrebt wird,
muß diese Maßnahme mit alternativen Möglichkeiten
verglichen werden. Gleiches gilt für das Ziel, Arbeitsplätze
zu schaffen. Bei den hohen Kosten und Risiken von Siedlungsprojekten
mag der Vergleich oft zugunsten billigerer und sichererer
Verfahren zur Steigerung von Produktion und Beschäftigung
ausfallen.
Hinzu kommt die Frage, wieweit eine Überführung
der bisher nicht durch Ackerbau genutzten Flächen in
Ackerland eigentlich zweckmäßig ist. Die Masse
des potentiellen Siedlungslandes liegt in den humiden Tropen,
in denen es schnell zu Bodenzerstörungen kommen kann,
wenn eine dauerhafte Bodenbedeckung beseitigt wird. Großflächige
Beseitigung des tropischen Waldes hat zudem Einfluß
auf das Klima. Die nach heutigen Kenntnissen sinnvolle Ausdehnung
des Ackerlandes ist offensichtlich weit geringer, als es nach
den technischen Möglichkeiten scheint. Regional und länderweise
bestehen allerdings große Unterschiede.
Unter bisherigen Siedlungsprojekten befinden sich viele Fehlschläge.
Eine ganze Reihe von Faktoren bewirkt ein hohes Erfolgsrisiko.
Die Kosten von Siedlungsprojekten sind nicht zuletzt wegen
der unteilbaren Infrastrukturkosten hoch. Da die Mittel knapp
sind, versucht man oft zu sparen und begnügt sich mit
der Urbarmachung und minimalen Erschließungen in der
Erwartung, daß die Siedler im Laufe der Zeit selbst
eine ihnen angemessene Umwelt schaffen werden. Gleiches gilt
für Fachpersonal. Mangel an Zeit und Ressourcen führt
zu flüchtiger Planung
und oberflächlicher Beratung der Siedler. Schließlich
wird oft zu wenig Sorgfalt auf die Auswahl der Siedler gelegt.
Einem Arbeitslosen erscheint eine Siedlerstelle als Lösung
seiner Probleme. Sobald er dann seine neue Rolle spielen muß,
mag er das Projekt anders beurteilen, und starke Siedlerfluktuation
ist eine häufige Folge. Viele Siedler leiden auch unter
der Separation von alten sozialen Bindungen. Unter solchen
Faktoren leiden die Siedlungsprojekte. Weder die erwartete
Produktionssteigerung noch der eingeplante Rückfluß
der Mittel tritt ein, wenn die Siedler kaum über das
Subsistenzniveau hinauskommen. Hohe öffentliche Aufwendungen
werden für eine kleine Zahl von Personen getätigt,
ohne daß der erwartete Erfolg eintritt. Selbstverständlich
muß dies nicht so sein, und es gibt Beispiele erfolgreicher
An- und Umsiedlungen. Siedlungsprojekte sind offensichtlich
nur „ganz" oder „gar nicht" zu machen,
während halbe Lösungen zu Fehlschlägen führen.
Sie sollten auf Fälle beschränkt werden, in denen
die finanziellen und personellen Voraussetzungen in ausreichendem
Maße gegeben sind und in denen die konkreten Gegebenheiten
es zweckmäßig machen, von einer alternativen und
eventuell ertragreicheren und ertragssichereren Verwendung
dieser Ressourcen abzusehen. Die steigende Bevölkerungszahl
zwingt in vielen Ländern dazu, bestehende Chancen zur
Ausdehnung der landwirtschaftlich genutzten Fläche voll
zu nutzen. Andererseits sind Siedlungsprojekte angesichts
ihrer geringen Ausdehnung bestimmt keine Lösung für
Mängel der Agrarstruktur und des Beschäftigungsproblems.
Oft sind sie auch nur ein Mittel, die Aufmerksamkeit von diesen
Fragen abzulenken (7, Seite 363 ff.).
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