2.1.4 Privateigentum
Privateigentum am Boden ist in allen Ländern Asiens
neueren Datums. Teils wurde es von den Kolonialmächten
eingeführt, in anderen erst mit der Unabhängigkeit.
Mit Ausnahme der sozialistischen Länder ist es heute
die verbreitetste Form der Grundbesitzverfassung.
Die ursprüngliche Form war überwiegend Großgrundeigentum,
welches im Laufe der Geschichte früheren Steuereinnehmern
und Aristokraten übertragen wurde. Diese haben meist
das Land nicht in großen Betriebseinheiten bewirtschaftet,
sondern zumindest das meiste an kleine Landbewirtschafter
in Pacht weitergegeben. Vielfach waren die dabei erzielten
Einnahmen so hoch, das diese Grundeigentümer wenig Interesse
an der Bewirtschaftung ihres Landes und deren Besserung hatten.
Es entwickelte sich vielmehr der asiatische Feudalismus mit
Konzentration der Landrechte in Händen einer begrenzten
Zahl von Personen, die sich stark von der Masse der Landbewirtschafter
in Macht, Prestige und Wohlstand unterschieden. Land war bei
dem sowieso schon erreichtem Wohlstand interessanter als Quelle
von Prestige und Macht, auch im politischen Raum. Bezüglich
der Beziehungen zu den Landbewirtschaftern enthielten sie
sich meist größerer Beeinflussungen, sondern beschränkten
sich auf eine strikte Abschöpfung, also auf eine genaue
Kontrolle, daß die ihnen zustehenden Abgaben auch voll
gezahlt wurden. Meist wurde diese Kontrolle nicht persönlich,
sondern durch angestellte Vertreter durchgeführt. Die
großen Landlords, die in manchen
Asiatisches Großgrundeigentum
war Rentenfeudalismus |
Ländern ihre Bodenfläche nicht nach Hektaren,
sondern nach der Zahl der ihnen gehörenden Dörfer
zählte, lebten oft als ‘absentees’ nicht
auf ihrem Land, sondern in den Städten, und kamen nur
ab und zu auf ihren Besitz. Vielfach spielte Spekulation und
Steuervermeidung eine Rolle bei den großen Landeigentümern,
besonders in neuerer Zeit.
Mit zunehmender Bevölkerungszahl und damit Nachfrage
nach Land verschob sich die Situation auf dem Pachtmarkt ständig
zugunsten der Grundbesitzer, was diese zu hohen Abgaben, Einführung
von Nebenleistungen und genereller Abhängigkeit der Landbewirtschafter
ausnutzen. Deren Lebenslage verschlechterte sich ständig
und ähnelte in den extremen Fällen mehr einer wirtschaftlichen
Sklaverei als einem Pachtverhältnis, besonders wenn Verschuldung
hinzukam.
Diese extremen Verhältnisse sind heute nur selten anzutreffen,
sind aber in abgeschwächter Form noch weit verbreitet.
Hierbei haben mehrere Faktoren mitgewirkt:
- In vielen Ländern haben Agrarreformen die Obergrenze
des Landeigentums in Händen einer Person begrenzt,
und gleichzeitig hat die Reform den unterdrückten Personen
gezeigt, daß der Landlord nicht allmächtig ist,
sondern daß auch er der Macht des Staates unterliegt.
Dies hat erzieherisch gewirkt und zu einer gewissen Besserung
des Verhaltens der Landlords zu ihren Pächtern geführt,
wenngleich es immer noch zu wünschen übrig läßt.
- Einige Formen der Rechte am Boden wurden durch Enteignung
total abgeschafft, ebenso in manchen Ländern die Eigentumsrechte
der Herrscherdynastien.
- Sicher noch wirkungsvoller war die Vererbung des Grundbesitzes
durch Übertragung von meist gleichen Anteilen an Land
an alle Söhne, teils an alle Kinder (Realteilung).
Bei der hohen Kinderzahl vieler asiatischer Familien bedurfte
es nur weniger Erbgänge, um die Eigentumsfläche
der Einzelperson (nicht der Familie) stark zu begrenzen.
- Einen weiteren kräftigen Stoß bekam die alte
Struktur durch die Einführung neuer Technologien in
der Landwirtschaft, besonders in Bewässerungsgebieten.
Die kleinen Landlords wandten sich in der Absicht, den gewohnten
Lebensstandard auch nach der Besitzverkleinerung beizubehalten,
den neuen Möglichkeiten schnell zu und begannen intensiv
zu wirtschaften. Meist haben diese ‘petty landlords’
ihre Pächter gekündigt und sind zur Selbstbewirtschaftung
mit Maschinen und einigen Landarbeitern übergegangen.
Man darf sich nicht vorstellen, daß die kleinen Landlords
weniger strikt mit ihren Arbeitskräften umgehen. Teils
ist der Druck heute
Die ‘big landlords’
wurden durch ‘petty landlords’ abgelöst |
größer als früher, da die kleinen Landlords
im Dorf wohnen, also täglich und stündlich in
Arbeit und Leben der Dorfbevölkerung eingreifen können.
Immerhin ist heute die Bewirtschaftung auch der größeren
Eigentümer im Bewässerungsgebiet meist intensiver
und mit modernen Methoden. Dies schließt nicht aus,
daß es immer noch traditionelle Landlords gibt. In
Trockengebieten ist dies noch viel öfter der Fall.
In allen Ländern Asiens findet sich in großem
Umfang auch Kleineigentum an Land. Die hohe Besiedlungsdichte
hat bewirkt, daß die einzelnen Wirtschaftseinheiten
sehr klein sind. In Südost- und Ostasien hat eine Familie
meist nur wenige acres zu Verfügung, und auch in den
Trockengebieten und in Südasien sowie bei gemeinschaftlichem
Eigentum halten sich die Betriebsgrößen in Grenzen.
Entstanden ist das private Kleineigentum dadurch, daß
frühere erbliche Nutzungsberechtigte in Gebieten im Staatseigentum
oder auch gemeinschaftlichem Eigentum durch gesetzliche Maßnahmen
zu Eigentümern wurden.
Die landwirtschaftlichen Kleineigentümer erwiesen sich
in vielen Ländern als fleißige, seßhafte,
konservative Bevölkerungsschicht, die vom Land lebte
und dem Staat/Herrscher Abgaben zahlte. Solange die Betriebsgrößen
ausreichend und die Abgaben erträglich waren, konnte
diese Landeigentümer von den Erträgen, die mit traditioneller
kapitalextensiver Bewirtschaftung erzielt wurden, gut leben.
Aber auch hier kam es zu Änderungsprozessen, welche die
Lebenslage der Bevölkerung grundlegend ändern sollte:
- Die Erbteilung brachte auch bei ihnen eine stete Verkleinerung
der Betriebsfläche mit sich. Diese ist zwar nicht nach
der Zahl der Kinder zu berechnen, da ja in machen Gesellschaften
auch die Töchter erben und bei der Heirat Land mitbringen.
Außerdem hat es auch immer Kinder gegeben, die einen
anderen Beruf ergriffen und
Mit zunehmender Verkleinerung
der Betriebe verarmten viele Kleineigentümer |
kein Land beansprucht haben. Dies hat die Auswirkungen jedoch
nur verlangsamt, aber nicht beseitigt.
- Mit zunehmendem Druck der Bevölkerung auf das Land
steigerten Staat und Landlords ihre Forderungen für
Abgaben. Die Literatur berichtet über Fälle, in
denen diese von 50 auf 70 und mehr Prozent angehoben wurden,
was zur Verarmung der Landbevölkerung führen mußte.
Diese Entwicklungen brachten einen Niedergang in der Lebenslage
der Landbewirtschafter und auch in der Landbewirtschaftung
mit sich. Zwar hat die alte Ideologie, nach der Land im Eigentum
der Bewirtschafter ‘Sand in Gold’ verwandele,
einen gewissen Wahrheitsgehalt. Die Anreize sind hoch und
bewirken einen hohen Arbeitseinsatz aller Familienmitglieder
und entsprechend hohe Einkommen, die Investitionen möglich
machen. Aber dieses positive Bild wird nicht automatisch erreicht,
sondern ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden.
Voraussetzungen für gesunde Kleinbetriebe
- eine ausreichende Betriebsgröße
- eine positive Einstellung zu Arbeit, Sparen und Investieren
- Freiheit der Entscheidung über die Landbewirtschaftung
- Förderungsinstitutionen zur Unterstützung
von Kleinbetrieben |
Diese, besonders die erste und letzte, sind in Asien meist
nicht gegeben.
Natürlich gibt es eine Differenzierung zwischen den
Landeigentümern. Manche waren erfolgreicher, weil sie
über mehr Arbeitskräfte in der Familie verfügten,
besser wirtschafteten oder einfach Glück gehabt haben.
Diese gingen aber oft dazu über, den weniger Erfolgreichen
ihr Land abzukaufen oder nach Verschuldung abzunehmen. Die
neuen Arbeiter/Pächter wurden oft ebenso ausgebeutet
wie bei großen Landlords.
Die zu geringe Betriebsgröße sehr vieler Betriebe
in Asien bewirkt nicht nur einen niedrigen Lebensstandard
der Bewirtschafterfamilien, sondern begrenzt auch die Möglichkeiten
zur Einführung moderner Bewirtschaftungssmethoden und
damit zur Steigerung der Agrarproduktion. Zwar sagt die Theorie,
daß die Produktivität kleiner Betriebe höher
sei als die der größeren Wirtschaftseinheiten.
Dies ist aber in der Realität differenziert zu sehen.
Sicher ist es richtig - und auch vielfach empirisch belegt
- wenn eine traditionelle Bewirtschaftungsmethode angewandt
wird. Dann wirkt der höhere Arbeitseinsatz bei Kleinbetrieben
sich in höherer Produktivität aus. Dies ändert
sich jedoch - unterschiedlich nach Anbausystemen und -früchten
- mit Zunahme der Anwendung moderner Technologie. Hier stoßen
die kleinen Einheiten finanziell und organisatorisch schnell
an ihre Grenzen, der Produktivitätsvorsprung sinkt und
geht bald verloren. Generell kann man heute damit rechnen,
daß die mittleren Betriebe - Familienbetriebe mit ausreichender
Landausstattung - die höchste Produktivität haben.
Bei Anwendung moderner Technologie
haben die mittleren Betriebe die höchste Produktivität |
Im Einzelfall gibt es erhebliche Unterschiede nach Fähigkeiten
der Betriebsleiter, Vorhandensein von Förderinstitutionen
und auch vorhandener Produktionsbedingungen, besonders Bewässerung.
Für die Politik ergibt sich hier ein Dilemma. Zur Steigerung
der Agrarproduktion und auch zur Besserung des Lebensstandards
der Bewirtschafterfamilien wären Maßnahmen zur
Steigerung der Betriebsgrößen auf eine unter den
lokalen Bedingungen wirtschaftliche gesunde Einheit (‘economic
holding’ im indischen Sprachgebrauch) sinnvoll. Dies
bedeutet nicht die Schaffung von Großbetrieben, sondern
nur von Einheiten, die soviel erwirtschaften, daß eine
ausreichende Lebensbasis und zuzüglich nachhaltig die
notwendigen Investitionen für eine dem Technologiestand
angepaßte Bewirtschaftung möglich werden.
Demgegenüber steht der Anspruch der ständig zunehmenden
Bevölkerung auf Anteil an den vorhandenen Ressourcen,
um so eine Existenzgrundlage zu haben.
Dieses Dilemma wird sich erst dann lösen, wenn einmal
genügend nichtlandwirtschaftliche Arbeitsplätze
zur Verfügung stehen und der Druck auf den Boden nachläßt.
Das Beispiel einiger ostasiatischer Länder zeigt, daß
dies nicht unbedingt in unendlicher Ferne liegen muß.
Nicht wenige junge Menschen versuchen, diesen Zustand vorwegzunehmen,
indem sie die Landbewirtschaftung aufgeben oder nicht übernehmen
und sich an anderer Stelle, auch im Ausland, eine Existenz
aufzubauen versuchen.
Privateigentum an Land, in welchem Umfang auch immer, unterliegt
Grenzen in den Verfügungsrechten. Zahlung der Steuer
ist eine allgemeine Pflicht, die auch recht strikt eingefordert
wird, was Steuerbetrug besonders großer Grundeigentümer
nicht ausschließt. Das alte Prinzip der Sozialpflichtigkeit
des Landeigentümers und das Verlangen von Rücksicht
auf die Belange der Allgemeinheit ist schon schwieriger einzufordern.
Immerhin haben schon in eigenem Interesse und wegen der Wirkung
auf das persönliche Ansehen Landlords seit altersher
sich öffentlicher Aufgaben gewidmet und Dorfstraßen
instand gehalten, die Wohlfahrt ihrer Abhängigen wenn
auch auf niedrigem Niveau gesichert, Tempel instandgehalten
etc. Oft ist mit der Verkleinerung der Eigentumsfläche
diese Leistung rückläufig. In neuerer Zeit können
auch dem Eigentümer verstärkt Grenzen in seiner
Verfügungsgewalt durch Landnutzungsplanungen, Naturschutz
und anderer ökologisch begründeter Maßnahmen
auferlegt werden.
Hier ist zu bemerken, daß Kleineigentümer diese
Auflagen schon aus Eigeninteresse, aber auch wegen der gesellschaftlichen
Normen, stärker nachgekommen sind als Großgrundeigentümer,
die meist an derartigen Dingen wenig Interesse hatten. Die
schlechte wirtschaftliche Situation hat auch vielen Kleineigentümern
hier Grenzen gesetzt.
Weiter mit: 2.1.5
Landwirtschaftliche Pacht
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