2.3.1 Familienarbeitsverfassung
Diese Form ist weit verbreitet und altbewährt. Die
Familienangehörigen setzen gemeinsam ihre Kräfte
ein, um so durch ihre Arbeit die gemeinsamen Lebensbedürfnisse
zu decken. Die Arbeiten beschränken sich nicht auf die
Landwirtschaft, sondern schließen andere Tätigkeiten
im Haushalt ein. Alle Familienmitglieder haben einen Ansporn
zu guter Leistung durch die Sicherheit, die Ergebnisse der
Anstrengungen nur mit den Familienmitgliedern teilen zu müssen.
Alle Familienmitglieder einschließlich Frauen, Kinder
und Altenteiler beteiligen sich an der Arbeit, wenn auch in
unterschiedlichem Umfang und mit verschiedenen Tätigkeiten
je nach Kräften und speziellen Fähigkeiten. Diese
Arbeitsverteilung wird in starkem Maß durch die Sitte
geregelt, die wiederum langjährige Erfahrungen über
die beste Befriedigung der Arbeitsbedürfnisse beim örtlichen
Anbausystem normiert hat. Durch solche Unterschiede im Anbausystem
ist auch zu erklären, daß gleiche Tätigkeiten
in manchen Gegenden von Männern, an anderen von Frauen
ausgeübt werden.
Das größte Problem der Familienarbeitsverfassung
ist die im Laufe des Lebenszyklus und von Generation zu Generation
wechselnde Arbeitskapazität der Familie. Solche Unterschiede
kommen durch die unterschiedliche Kinderzahl in verschiedenen
Generationen und durch eine im Laufe des Lebens wechselnde
Zahl arbeitsfähiger Angehöriger zustande. Dabei
sinkt die Arbeitskapazität in den ersten Jahren nach
der Heirat, weil die Kräfte der Altenteiler nachlassen
und die Ehefrau wegen Schwangerschaften und Arbeit mit Kleinkindern
ausfällt. Bis zu der Zeit, in der die ersten Kinder mitarbeiten
können, kommt es zu einer starken Anspannung. Unter den
Wechselnde Arbeitskapazität
der Familie im Laufe des Lebenszyklus |
Verhältnissen Asiens beginnt die Mitarbeit der Kinder
in der Landwirtschaft aber bereits früh, etwa im Alter
von acht Jahren, wenn auch nicht bei allen Tätigkeiten.
Da aber viele Aufgaben in der Landwirtschaft relativ leichte
Arbeit sind (Tiere führen und beaufsichtigen), können
Kinder sehr wohl eine erwachsene Person ersetzen.
Vom 15. - 20. Jahr nach der Eheschließung ist meist
der Gipfel der Familienarbeitskapazität erreicht: die
Kinder sind alle im arbeitsfähigen Alter, aber noch zu
Hause. Oft ist in diesen Jahren aus dem früheren Mangel
ein Arbeitskräfteüberschuß geworden.
In islamischen Ländern verschiebt sich die Situation
etwas durch die Beschränkung der Mädchen und Frauen
in der Öffentlichkeit. Manche Tätigkeiten sind ihnen
daher verschlossen. Allerdings ist die Befolgung der Purdahregeln
im Dorf längst nicht so strikt wie in der Stadt, und
regionenweise gibt es erhebliche Unterschiede. Bei starkem
Arbeitsbedarf kommt es schneller zu Übertretungen, wenngleich
meist spezielle Vorkehrungen getroffen werden. So gehen Frauen
in Gruppen zum gemeinsamen pflücken der Baumwolle, und
im Dorf wird bekannt gemacht, daß Männer an dem
Tage von diesen Feldern und ihrer Umgebung fern bleiben müssen.
Eine rüstige Witwe kann man auf dem Feld pflügen
sehen, wenn kein männliches Familienmitglied vorhanden
ist, um die Arbeit zu übernehmen. Auch der Status der
Familie und die Persönlichkeit der einzelnen Frau spielt
eine große Rolle.
Anpassungsmöglichkeiten
von Arbeitskapazität und Arbeitsbedarf |
Um die mehr oder weniger schwankende Arbeitskapazität
an die in der Praxis recht starre Betriebsgröße
anzupassen, stehen der Bewirtschafterfamilie einige Instrumente
zur Verfügung:
- Die Arbeitsintensität kann geändert werden,
z.B., durch Anbau von Kulturen mit mehr oder weniger Arbeitsbedarf.
- Die Betriebsorganisation kann geändert werden, z.B.
durch Maschineneinsatz oder Fruchtfolgeänderungen,
um so eine Verteilung der Arbeit auf andere Personen oder
im Laufe des Jahres zu erreichen.
- Die Zahl und Art der Tiere kann verändert werden.
- Flächen können zu- und verpachtet werden.
- Fremdarbeitskräfte können saisonal oder ständig
eingestellt werden.
- Für eine Zeit lang wird Überlastung in Kauf
genommen.
In der Praxis werden die erstgenannten Möglichkeiten
nur begrenzt wahrgenommen, so daß es meist bei der Überlastung
bleibt. Die Betriebsorganisation hat ein starkes Beharrungsvermögen.
Dies mag in mangelnder Kenntnis über zweckmäßige
Änderungen und ihrer Folgen seine Ursache haben.
Die Familienarbeitsverfassung hat einen starken Drang zur
Exklusivität. Solange als möglich versucht man,
den Schritt zur Einstellung von Fremdarbeitern zu vermeiden,
weil damit nicht nur die Arbeitskapazität erhöht
würde, sondern gleichzeitig neue Probleme wie Änderung
der Arbeitsverteilung, Aufsichtsanforderungen, unterschiedliche
Behandlung eigener und fremder Arbeitskräfte uvm. auftreten.
Am ehesten ist man noch bereit, einen Fremden quasi in die
Familie aufzunehmen, ihm also nicht nur Arbeit, sondern auch
Unterhalt und Wohnung in der Familie zu geben. Hieraus entstehen
teils langfristige, oft lebenslange Beziehungen.
Probleme entstehen für die Familienarbeitsverfassung,
wenn der Betrieb so klein wird, daß nicht mehr alle
Familienangehörigen zur Arbeit benötigt werden,
gleichzeitig aber keine alternativen Arbeitsplätze zur
Verfügung stehen. In diesem Fall pflegen sich die Familienangehörigen
in die vorhandene Arbeit und deren Erträge zu teilen,
es entsteht also Unterbeschäftigung. Falls die Möglichkeit
einer saisonalen oder ständigen außerbetrieblichen
Tätigkeit gegeben ist, kommt es zum Übergang zu
Zu- oder Nebenerwerbsbetrieben.
Probleme entstehen für die Familienarbeitsverfassung
in ihrer traditionellen asiatischen Organisationsform auch,
wenn Frauen oder Kinder nicht mehr mitarbeiten wollen. Dies
Betriebsverkleinerung
führt zu Unterbeschäftigung |
erfordert eine Umgestaltung der Betriebs- und Arbeitsorganisation,
für die meist keine Modelle zur Verfügung stehen.
Allerdings ist dies noch selten und meist nur bei wohlhabenderen
Familien und höheren Kasten der Fall, die so ihren Status
dokumentieren wollen. Man kann aber erwarten, daß in
Zukunft dieses Problem größere Bedeutung erhalten
wird. In der traditionellen Arbeitsverfassung gab es kein
Entlohnungsproblem. Die Familie regelte intern die Verteilung,
meist in Naturalform und beeinflußt von der Sitte in
der Region. Bargeld spielte dabei eine geringe Rolle. Mit
zunehmender Kommerzialisierung auch in Agrargebieten möchte
die junge Generation aber auch Bargeld zur Verfügung
haben und wird zum Teil den Betrieb verlassen, falls diese
Wünsche nicht befriedigt werden können.
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Fremdarbeitsverfassung
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