3.1 Weitere Entwicklung der Betriebsstruktur und ihre Folgen
Die Verkleinerung der Betriebe durch Teilung im Erbgang
dürfte weitergehen. Allerdings kann man mit einer Verlangsamung
rechnen, weil
- die Geburtenzahlen zurückgehen, also weniger Erben
vorhanden sind,
- mehr und mehr Kinder ihr Erbe nicht antreten, sondern
besonders an Geschwister verpachten, weil die kleine Fläche
keine Lebensgrundlage bietet.
Langsamere weitere
Verkleinerung der Betriebe zu erwarten |
Immerhin kann man damit rechnen, daß in vielen Regionen
derzeit die letzte Generation von Familien lebt, die noch
von der Landwirtschaft leben kann. Nach dem nächsten
Erbfall reicht die Fläche dazu in der Mehrzahl der Fälle
nicht mehr aus.
Als Konsequenz ist damit zu rechnen, daß in Zukunft
die überwiegende Zahl der Betriebe in Mehrfachbeschäftigung
geführt werden muß, wie dies schon heute in manchen
Regionen Ostasiens der Fall ist. Die Struktur der Region wird
entscheiden, welche der oben beschriebenen Formen von Mehrfachbeschäftigung
die größte Bedeutung haben wird.
Die Masse der Betriebe wird in Formen
von Mehrfachbeschäftigung bewirtschaftet werden |
Der Übergang vom Vollerwerbsbetrieb zum Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb
hat zahlreiche bedeutende Konsequenzen. Zunächst ist
von großer Bedeutung für alle Maßnahmen,
daß Interessenlage und Motivation sich ändern werden.
Idealtypisch kann dabei von zwei Gegebenheiten ausgegangen
werden:
- Familien mit zu geringer Landausstattung werden versuchen,
sich Nebeneinkünfte zu verschaffen, um das Existenzminimum
zu befriedigen und der Armutssituation zu entfliehen. Die
Mehrfachbeschäftigung ist hier Folge eines Zwanges
und wird mit begrenzter Motivation ausgeführt.
- Andere Familien mit Mehrfachbeschäftigung haben
bewußt den Schritt weg von der Landwirtschaft als
einziger Lebensgrundlage gemacht in der Einsicht, daß
ihre Landfläche keine Basis für eine Besserung
der Lebensverhältnisse bietet. Hier sieht man seine
Zukunft außerhalb der Landwirtschaft. Die Weiterbewirtschaftung
des Landes ist Zugeständnis an die alte Generation,
Ergänzung des nichtlandwirtschaftlichen Einkommens
durch Selbstversorgung, Sicherheit bei eventueller Arbeitslosigkeit
und Kapitalbasis zur Bestreitung der Werbungskosten für
den neuen Beruf. Teils spielt auch das billige und angenehme
Wohnen auf dem Lande eine Rolle.
Übergang zu Mehrfachbeschäftigung
hat viele Konsequenzen für die Landbewirtschaftung |
Sobald Mehrfachbeschäftigung in einer Region eine gewichtige
Rolle spielt, ändert sich die Landbewirtschaftung und
deren Beeinflussungsmöglichkeiten:
- Die Intensität der Landbewirtschaftung geht meist
zurück. Man hat weder Zeit noch Interesse an einem
hohen Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft, da die Erfahrung
zeigt, daß Arbeitseinsatz im neuen Arbeitsplatz, sobald
man einen gefunden hat, mehr Einkommen bringt als auf der
kleinen Landfläche.
- Es findet eine Konzentration auf arbeitsextensive Kulturen
und auf die im eigenen Haushalt benötigten Produkte
statt.
- Wichtigstes Ziel ist nicht mehr der höchste Ertrag,
sondern oft ein möglichst geringer Arbeitsaufwand.
Manchmal wird der Anbau so eingerichtet, daß nur einmal
im Jahr zur Erntezeit größere Arbeitsleistungen
erforderlich werden - zu denen man die erweiterte Familie
zusammenrufen kann - während andere Arbeiten in Lohnauftrag
vergeben werden.
- Soweit die Arbeit von der Familie verrichtet wird, kommt
es zu einer Verschiebung der Tätigkeit innerhalb der
Angehörigen. Die häufige Abwesenheit der Männer
führt zu einer Mehrbelastung der Frauen und Kinder.
Dies schließt die Übernahme von Arbeiten ein,
die bisher von Männern ausgeführt wurden. Auch
die alte Generation wird stärker zu Arbeitsleistungen
herangezogen.
- Der Arbeit des Beratungsdienstes sind Grenzen gesetzt.
Meist ist entsprechend dem rückläufigen Interesse
an der Landbewirtschaftung das Interesse an Beratung nicht
groß. Hinzu kommt, daß der Haushaltsvorstand
tagsüber abwesend ist, die Frauen aber oft keine Ansprechpartner
sein wollen oder können.
- Auf dem Kreditmarkt sind Änderungen dadurch zu erwarten,
daß ein regelmäßiges Bareinkommen dem Haushalt
zufließt. Darüber hinaus bestehen manchmal Möglichkeiten
für einen Lohnvorschuß vom Arbeitgeber.
- Ein kleinerer Teil der Haushalte ist doch an der Fortsetzung
und Weiterentwicklung der Landbewirtschaftung interessiert
und wird versuchen, mit den Einkünften aus nichtlandwirtschaftlicher
Arbeit den zu kleinen Betrieb zu vergrößern und
zu modernisieren. Besonders unter Gastarbeitern in den Ölländern
mit relativ hohem Verdienst ist dies häufiger vorgekommen,
wenn auch zahlenmäßig in engen Grenzen.
- Die junge Generation ist an einer Fortsetzung der Landbewirtschaftung
meist nur interessiert, wenn die Gegebenheiten dies mit
modernen Technologien erlauben. Dies erfordert Investitionen,
besonders in Bewässerung und in einen Traktor (der
auch zum Lohnpflügen benutzt wird). Bei den Investitionen
spielt die veränderte Entscheidungsstruktur in der
Familie eine Rolle. Maßgeblich ist nicht nur der Haushaltungsvorstand,
sondern auch die junge Generation, die ja technisch versierter
ist, und die nichtlandwirtschaftlichen Einkommensbezieher,
die ja bei der Finanzierung mitwirken sollen und von daher
auch Mitspracherecht beanspruchen. Generell bewirkt die
Abwesenheit des Mannes, daß sich die Entscheidungsgewalt
der Frau bei kleineren Anlässen ausdehnt.
- Die Erfahrung zeigt, daß bessere und sichere nichtlandwirtschaftliche
Arbeitsplätze dazu führen, daß das Interesse
an der Landwirtschaft sinkt, man oft auch zeitlich im neuen
Beruf gebunden ist. Trotzdem pflegen die Familien ihr Land
nicht zu verkaufen. Sicherheit, Spekulation und Tradition
spielen hierbei eine Rolle, aber auch so praktische Gesichtspunkte
wie Baulandbedarf der Kinder in einigen Jahren oder Landfläche
für das eigene Leben im Alter. Wenn überhaupt,
kommt nicht Verkauf, sondern Verpachtung in Frage, und hierbei
werden die Verwandten bevorzugt. Eine Ausnahme ist höherer
Geldbedarf bei umfangreichen Investitionen im neuen Beruf,
z.B. Eröffnung eines Gewerbebetriebes.
- Um zu verhindern, daß nachlassendes Interesse an
der Landbewirtschaftung und geringer werdende Möglichkeiten
zu Arbeitsaufwand in der Landwirtschaft zu einer schlechteren
Nutzung des Landes führen, müssen neue Organisationsformen
für die Landnutzung entwickelt werden. Beispiele aus
Ostasien können hier Hinweise geben.
Nachlassendes Interesse an der
Landbewirtschaftung verlangt neue Organisationsformen |
Meist werden hierbei Funktionen ausgegliedert und von anderen
Unternehmen oder Personen ausgeführt. Dies kann sich
auf die Bodenbearbeitung begrenzen, aber auch fast alle
anderen Arbeiten umfassen, vielleicht mit Ausnahme der Ernte.
Die Arbeit kann übertragen werden an Lohnunternehmer,
an Landwirte, die einen Zuverdienst suchen, oder an Maschinenstationen.
- Für die Entwicklungspolitik und Entwicklungsprojekte
wird in Zukunft immer wichtiger, abzuschätzen, welche
Bedeutung das Ausscheiden aus der Landbewirtschaftung in
der näheren Zukunft in einer Region haben wird. Es
lohnt nicht, Investitionen zu tätigen oder Institutionen
aufzubauen für die Förderung der Landwirtschaft
in einer Region, in der die Masse der Bewirtschaftenden
in den kommenden Jahren die hauptberufliche Landbewirtschaftung
aufgeben wird. Zumindest wird es in solchen Fällen
angezeigt sein, die Maßnahmen in ihrer Art und Organisation
auf die neue Situation einzustellen.
Parallel zum Trend zur Abwendung von der Landwirtschaft wegen
zu klein gewordener Betriebsfläche oder zumindest Übergang
zu Mehrfachbeschäftigung als Übergang darf man mit
einer zunehmenden Konzentration der Landbewirtschaftung auf
eine begrenzte
Trend zur Konzentration des Landes
in ausreichend großen landwirtschaftlichen Betrieben |
Zahl von modern geführten, ausreichend großen
Betriebseinheiten erwarten. Hierzu zählen ausreichend
große Familienbetriebe (economic holdings) sowie darüber
hinausgehende Mittelbetriebe (progressive farmers). Auch aus
dieser Konzentration ergeben sich wieder bestimmte Situationen:
- Die Zahl dieser Betriebe dürfte noch steigen, wenn
auch nur langsam. Durch Zupacht werden von unten aktive
interessierte Landbesitzer versuchen, durch Betriebsvergrößerung
in diese Kategorie aufzusteigen. Andererseits entstehen
von oben bei Teilung von Großbetrieben an die Kinder
neue Einheiten, weil zumindest ein Teil durch gute Bewirtschaftung
ihren gewohnten Lebensstandard beibehalten will.
- Bei diesem Betriebstyp dürfte die Masse der Marktproduktion
in Zukunft liegen. Sie wirtschaften meist nach modernen
Methoden, sind aufgeschlossen für Neuerungen und verfügen
meist auch über die finanziellen Möglichkeiten
für die erforderlichen Investitionen, oder können
diese beschaffen.
- Die Konzentration auf eine begrenzte Zahl von mittelgroßen
Betrieben bringt neue Möglichkeiten und Anforderungen
für den Beratungsdienst mit sich. Von Vorteil ist,
daß man es mit einer kleineren Zahl von ausgebildeten
Klienten zu tun hat, die auch interessiert sein dürfte.
Dies wird die Wirksamkeit des Beratungsdienstes merklich
erhöhen, erfordert aber auch eine höhere Qualifikation
auf Seiten des Beratungspersonals. Insbesondere wird eine
betriebswirtschaftliche Beratung (Investitionen, Betriebsumstellungen)
erforderlich, für die die Berater bisher kaum ausgebildet
sind. Betriebswirtschaftliche Fortbildung für einen
Teil der Berater ist ein dringendes Erfordernis für
die nahe Zukunft.
- Diese Betriebe sind voll marktintegriert und haben daher
ein hohes unternehmerisches Risiko abzudecken. Dies ist
um so einfacher möglich, je reibungsloser der Betriebsablauf
durch Stützung von außen erfolgen kann. Hier
ist neben der Beratung insbesondere an die Bereitstellung
von Dienstleistungen zu denken in einer Form, die für
die Bedürfnisse der Wirtschaftseinheiten zugeschnitten
sind. Bereitstellung von Betriebsmitteln, Organisation des
Absatzes incl. Transport und Lagerung sowie verfügbare
Krediteinrichtungen und Maschinenwerkstätten sind von
besonderer Bedeutung. Mit Ausnahme der Farmers Associations
in Taiwan ist dies noch in keinem asiatischen Land befriedigend
gelöst.
Beide Tendenzen - Verkleinerung der Betriebe mit Übergang
zu Mehrfachbeschäftigung und Konzentration der Agrarproduktion
auf wirtschaftlich gesunde Betriebe - erfordern ein Instrument
zum Ausgleich von vorhandener Bodenfläche an die von
der Arbeitskapazität gegebenen Bewirtschaftungsmöglichkeiten
und Interessen. Hierzu bietet sich landwirtschaftliche Pacht
an, die in der Vergangenheit vielfach in Mißkredit
Steigende Bedeutung der landwirtschaftlichen
Pacht als Ausgleichsinstrument |
gekommen ist. Zwar hat es in jüngster Zeit Verbesserungen
gegeben durch Änderung im Personentyp von Pächter
und Verpächter, durch Übergang zur Geldpacht, aber
auch durch Änderung der offiziellen Einstellung zur Pacht.
Regional bestehen allerdings noch große Unterschiede.
Wichtig ist Aufgabe aller Behinderungen des Pachtmarktes.
Gerade in Regionen mit schnellem Wandel und damit besonderem
Bedarf an Zu- und Verpachtungsmöglichkeiten wird es auch
gut sein, wenn der Staat sich aller Reglementierungsversuche
enthält und dem aufkommenden Marktspiel die Möglichkeit
gibt, jeweils passende Übereinkünfte zu erzielen.
Dagegen wird der Bodenmarkt in naher Zukunft nur eine begrenzte
Ausweitung haben. Die Landeigentümer sind bestrebt, ihr
Land zu behalten. Sicherheit, Reminiszenzen, niedrige Besteuerung
und Spekulation auf die Zukunft spielen hier eine Rolle. Wenn
es doch zu Verkäufen kommt, dann meist nicht auf dem
offenen Markt, sondern innerhalb der Familie oder Verwandtschaft,
in dem Bestreben, den knappen Boden im Kreis nahestehender
Personen zu halten. Die hohen Grundstückspreise, meist
außer Relation zum erzielbaren Einkommen, hindern den
Bodenmarkt.
Eine Ausnahme bilden die stadtnahen Regionen. Hierbei spielen
Angst vor Enteignung für eine Ausdehnung der Städte
und Verkehrswege, Mitnahme von Preissteigerungen sowie ungewöhnlich
hohe Gebote von Nichtlandwirten für gewerbliche Zwecke
eine Rolle.
Der Transfer wird erleichtert durch ein Urkundensystem nach
Art eines Katasters. Muß dieses erst erstellt werden,
dann besteht eine langwierige und teure Aufgabe. Sie sollte
da begonnen werden, wo die Wahrscheinlichkeit von Grundstücksgeschäften
hoch ist, wie in stadtnahen Regionen. In manchen Ländern
müssen auch nur bestehende Kataster auf den neuesten
Stand gebracht werden.
Das Ausscheiden von Bevölkerungsteilen aus der Landwirtschaft
oder die Zunahme der Mehrfachbeschäftigung bedeutet eine
Zersplitterung der Interessen der Dorfbevölkerung. Waren
die Kräfte und Gedanken aller früher auf die Bedürfnisse
der Landwirtschaft gerichtet, von der alle lebten, so ist
dies jetzt nicht mehr der Fall. Bald ist die Mehrheit der
Dorfbevölkerung keine landwirtschaftliche Bevölkerung
mehr und das Dorf ist nur Wohnort, oder es kommt sogar zur
Ansiedlung von Gewerbebetrieben
Zersplitterung der Interessen der
Dorfbevölkerung |
im Dorf. Gemeinderäte werden zunehmend nichtlandwirtschaftliche
Mitglieder haben. Dies bedarf neuer Regelungen für die
Dorfverwaltung, damit berechtigte Interessen der Landwirtschaft
nicht von einer nichtlandwirtschaftlichen Mehrheit unterdrückt
werden. Hierzu gehört besonders in den stadtnahen Gebieten
eine Landnutzungsplanung, damit nicht allein Kaufkraft entscheidet,
wozu Land verwendet wird, um sicherzustellen, daß die
landwirtschaftlich attraktivsten Flächen auch der Landwirtschaft
erhalten bleiben.
Weiter mit: 3.2
Zunehmende Ausdehnung der Städte in die Agrargebiete
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